Samstag, 14. Februar 2009

Umzug

Dieses Blog ist umgezogen, nämlich hier hin.

Mittwoch, 11. Februar 2009

Digitale Demenz

Nie wuchs Wissen schneller als heute - Es könnte genauso schnell wieder verloren gehen


Früher ging man zum Erinnern in den Keller. Oder auf den Speicher. Kisten mussten entstaubt, Pappschachteln geöffnet werden. Darin: Dokumente, Fotos, Briefe, nicht selten Liebesbriefe. Das Stöbern in der eigenen Vergangenheit oder in der von Eltern und Großeltern in staubig-stickiger Luft wird es nicht mehr lange geben. Selbst Liebesbriefe werden heute überwiegend digital verfasst und verschickt, Bilder in Bytes gespeichert und in Pixeln betrachtet. Das Medium "Computer" löst das Medium "Papier" ab.

Drei Nachrichten der vergangenen Tage: Der Bookmark-Service Ma.gnolia geht vom Netz, nachdem ein Großteil seiner Bookmarks verloren ging. Pageflakes, der personalisierte Startseiten-Anbieter, muss ebenso offline gehen wie das Videoportal Revver (die beiden letzteren sind mittlerweile wieder in Betrieb). Die Beispiele zeigen: Wer seine Daten ins Netz stellt, hat keine Sicherheit, dass sie dort auch stets abrufbar sind. Im schlimmsten Fall gehen sie unwiderbringlich verloren.

Dennoch, der Trend ist ungebrochen: Eigene Dateien landen immer häufiger im Netz. Fotoalben werden auf Flickr angelegt, Texte als GoogleDocs gespeichert, Kontakte auf Facebook verwaltet. Die Festplatte des eigenen Computers verliert an Bedeutung. "Cloud Computing" heißt das Schlagwort. Anwendungen und Daten befinden sich nicht mehr auf dem eigenen Rechner, sondern auf so genannten Servern. Der ans Internet angeschlossene Computer holt sie von dort, verwendet sie und am Ende landen die Daten wieder auf dem Server.

Das ist eigentlich eine feine Sache. Denn nichts ist unsicherer als der eigene Rechner. Der kann gestohlen, Daten aus Versehen gelöscht werden, Hardware kaputt gehen. Server sind sicherer. Sie befinden sich in der Regel immer am gleichen Ort (im Gegensatz zum Beispiel zu Laptops) und werden meist von Profis verwaltet und gewartet. Dennoch: Garantien gibt es nie. Und die Unternehmen denen die Server gehören sichern in der Regel gegen Ansprüche bei Datenverlust ab. Wo Informationen gespeichert werden, können Informationen verloren gehen. Das ist eigentlich eine Binsenweisheit. Das Problem ist, dass unser heutiges Wissen gleich von drei Seiten bedroht wird.

1) Wissensverlust durch menschliches Versagen. Die Dimension der Schäden die beispielsweise in Unternehmen entstehen, ist unüberschaubar. Weil keine Firma gerne öffentlich macht, wenn ihr eine Datenpanne passiert. In einer Studie bei 21 britischen Unternehmen aus der Finanzbranche wurden die Schäden größerer Datenverluste untersucht. Die finanzielle Belastung pro Datenpanne lag bei 1,8 Millionen Euro.

2) Wissensverlust durch Materialermüdung. Die Dimension dieses Problems ist heute noch nicht abzusehen. Denn die meisten Techniken der Datenspeicherung sind noch keine 100 Jahre alt. Woher sollen wir beispielsweise wissen, wie lange die Daten im USB-Stick erhalten bleiben? Oder: Wie lange hält eine CD? Weniger lange jedenfalls als viele denken, sagen Wissenschaftler. "Selbstgebrannte Datenträger sind kein Archiv, sondern nur ein Verbrauchsmedium, dass sich höchstens zum Transport von Daten eignet", warnt Matthias Hemmje, Professor für Multimedia- und Internetanwendungen der Fernunsiversität Hagen in der Wirtschaftswoche. Und ein Test des IT-Fachmagazins "c't" zeigte jüngst, dass viele der silbernen Speichermedien unter simulierten verschärften Klimabedingungen nur wenige hundert Stunden halten. Unter Normalbedingungen schätzt "c't" die zuverlässige Haltbarkeit nur auf drei bis fünf Jahre? Soll man jetzt etwa alle paar Jahre seine komplette CD-Sammlung kopieren? Eine Lösung lässt auf sich warten.

3) Wissensverlust durch technischen Fortschritt. Die stetige Weiterentwicklung von Datenspeicher- und Datenabspiel-Medien löst das Probleme aus. Womit VHS-Kassetten anschauen, wenn der DVD-Spieler den Videorekorder ersetzt hat? Womit die alten Magnetbänder hören, die auf dem Speicher liegen? Was tun mit den Schellackplatten, welche die Großmutter ihren Enkeln vererbt?

Keine Frage: Alte Techniken der Informationsspeicherung haben Vorteile. Wir wissen heute, was Menschen vor 6000 Jahren in Tontafeln geritzt haben. Wir entziffern Texte, die vor 2000 Jahren auf Papyrus geschrieben wurden. Weil es zum Entziffern nur die Augen und das Verständnis der Schrift braucht. Elektronische Speichermedien aber benötigen komplexe Technik, um dem Menschen die Informationen zugänglich zu machen. Geht das Wissen um diese Technik verloren, wird das Wissen auf den Speichermedien unbrauchbar.

Würde man die Datenmenge alles digital gespeicherten Wissens auf CDs pressen, wäre der Stapel 200 000 Kilometer hoch. In drei Jahren wird sich die Menge verdoppelt haben. Wir erfinden stetig Neues, immer mehr und immer öfter. Was aber noch fehlt, ist eine überzeugende Strategie, um dieses Wissen zu konservieren, um es für nachfolgende Generationen zu bewahren. Nie war der Wissenzuwachs größer, nie aber auch die Gefahr, dieses Wissen wieder zu verlieren. Vielleicht sollten wir wenigstens Liebesbriefe in Zukunft wieder auf Papier schreiben.

Mittwoch, 4. Februar 2009

Content sells!

Geld verdienen mit Inhalten: Wie sich im Internet trotz Wirtschaftskrise neue Geschäftsmodelle etablieren


So viel Erfolg bei Frauen wie Amir Arora hat noch keiner gehabt. Und was bei Frauen funktioniert, soll jetzt auch bei Männern klappen. Arora ist der Gründer der erfolgreichsten amerikanischen Webseite für Frauen, glam.com. Die Themen dort sind die üblichen: Mode, Gesundheit, Lifestyle. Seit neuestem betreibt der Inder aus Neu Delhi auch ein männliches Pendant: die Webseite heißt brash.com (engl. brash = keck, frech, dreist). Die dominierende Farbe dort ist nicht pink wie bei Glam, sondern blau, und auch sonst erfüllt die Seite jedes Klischee. Die Inhalte: Autos, Fitness, Computer, Games und Schauspielerinnen.

Glam Media, so der Name des Unternehmens dahinter, bietet auf den ersten Blick nichts, was es nicht woanders auch gibt. Und doch gibt es einen Unterschied zu vielen anderen Angeboten: Glam Media hat Erfolg. Der Wert des Unternehmens wird auf 500 Millionen Dollar geschätzt; glam.com ist unter den Top10 der meistbesuchten Webseiten in den USA.

Der Erfolg hat seine Ursache in einem ganz besonderen Geschäftsprinzip: Glam erstellt seine Inhalte nicht selbst, sondern integriert bestehende kleine Webseiten und Blogs in seinem eigenen Auftritt. Glam betreibt also eine Art Zweitverwertung und fasst Inhalte zusammen. Sowohl Glam als auch die Blogger profitieren von dem Deal: Die Blogbetreiber bekommen durch die Integration erhöhte Aufmerksamkeit und erhalten die Hälfte der von Glam erwirtschafteten Werbeeinnahmen; auf der anderen Seite erspart sich Glam die Erstellung eigener Inhalte.

Mit einem ähnlich Prinzip erfolgreich: die Huffington Post. Das linksliberale Portal mit vorwiegend politischen Inhalten ging am 9.Mai 2005 online. Heute ist es das einflussreichste Alternativ-Medium der USA. Das Prinzip ist ähnlich wie bei glam.com: Es schreiben vor allem Blogger, und auf der Startseite werden die interessantesten Inhalte der Autoren gezeigt. Außerdem sammelt Huffington Post mitteilenswerte Inhalte im gesamten Netz und präsentiert sie ebenfalls auf ihrer Startseite. 200 Millionen Dollar soll das Portal wert sein; seit 2007 ist man nach Angaben ihres Co-Gründers Ken Lerer "aus den roten Zahlen".

Inhalte für die breite Masse hat es aber schon vor dem Internet gegeben. Randpublikationen, Texte, für die sich nur eine Minderheit interessiert, hatten es viel schwerer. Die Druckkosten pro Exemplar sind bei einer kleinen Auflage deutlich höher und die Verbreitung schwieriger, schon deshalb weil die potentiell Interessierten von den Publikationen früher oft gar nicht wussten. Heute stehen die Informationen nur einen Klick weit entfernt. "Insgesamt scheinen die Geschäftsmodelle von Fachverlagen und Special-Interest-Publikationen am besten in ein digitales Format konvertierbar zu sein", schreibt die Unternehmensberatung Deloitte in einer aktuellen Studie mit dem Titel "Herausforderung Media 3.0 - Verlage und ihre digitalen Geschäftsmodelle". 80 Prozent aller publizistischen Inhalte seien Nischenprodukte, schätzt Deloitte, und diese könnten durch das Internet erstmals einfach vertrieben werden. "Da Fachpublikationen über einschlägige Online-Portale für Kunden leichter zu identifizieren sind als in der physikalischen Welt, eröffnet sich Fachverlagen über ihren Online-Auftritt zusätzliches Wachstumspotential."

Außerdem setzt sich bei Fachpublikationen zunehmend der Verkauf digitaler Bücher, der so genannten E-Books, durch. Hohe Druckkosten bei geringen Auflagen werden so ganz vermieden. So hat zum Beispiel "Springer Science und Business Media", einer der führenden Anbieter von Wissenschaftsliteratur weltweit, gerade bekannt gegeben, dass auf seiner Internet-Plattform mittlerweile 30.000 E-Books zu beziehen sind.

Amir Arora von Glam erobert derweil auch außerhalb der USA die Frauenwelt: Seit Mitte 2008 gibt es mit der Glam Media GmbH auch einen deutschen Ableger. Ein Joint Venture mit der Burda-Tochter Burda Cross Media betreibt die Seite glam.de und ist nach eigenen Aussagen bereits die Nummer eins. Arora jedenfalls ist schon heute potentieller Milliardär. Bereits im vergangenen Juni hat es Meldungen über ein Angebot in Höhe von 1,3 Milliarden Dollar gegeben. Der Glam-Chef schwieg und ließ verkünden "Wir arbeiten gegenwärtig nicht aktiv an einer Ausstiegsstrategie." Warum auch? Das Geschäftsmodell scheint auf viele Länder übertragbar zu sein. Vermutlich wird Arora noch viel Erfolg bei Frauen haben.

Freitag, 30. Januar 2009

Wie wir arbeiten werden

Der Journalismus legt die Ketten ab: Über die Zukunft eines Berufszweigs

Es gab mal eine Zeit, da war die Presse ein ganzer Industriezweig. Das Geschäft mit der Nachricht ernährte die unterschiedlichsten Handwerker: Schriftsetzer, Seitenbauer, Lithografen, Drucker, auch Abschreiber und Austräger. In der digitalen Welt sind die meisten Berufe verschwunden. Zum Publizieren braucht es nur noch eines: Inhalt. Darüber hinaus höchstens Programmierer und Gestalter; um das Angebot ansprechend zu präsentieren.

"Paper were things. Now they're thoughts", beschreibt der amerikanische Journalist und Blogger Jeff Jarvis den Wandel. Nur an den Journalisten selbst ging die Veränderung jahrzehntelang vorbei. Jetzt stecken die Verlage in der Krise. Und mit ihr ihre Angestellten. Das ist bekannt. Aus Redaktionen werden Zentralredaktionen, aus Büros Newsdesks. Die Worte sind Euphemismen. Der Klartext lautet: Redaktionen schrumpfen, Personal wird entlassen. Den Verlegern Vorwürfe zu machen, greift zu kurz. Es sind die Bedingungen, die sich geändert haben.

Es wird schlicht weniger verdient. Printauflagen fallen und die Anzeigenerlöse im Internet fangen die gesunkenen Einnahmen aus dem Verkauf der Papierprodukte in keiner Weise auf. Die Reaktion der Verlage: Sparen durch Abbau. Viel mehr ist den Verlagen bisher nicht eingefallen – das vielleicht kann man den Verlagen vorwerfen. Die mangelnde Kreativität. Aber das ist in der Geschichte der Wirtschaft keine Besonderheit. Selten geht die Innovation von den Konzernen aus. Viel zu schwerfällig. Viel zu wenig Unternehmerehrgeiz in den Konzernetagen mit ihren Angestelltenbüros. Das Neue kommt von außen. So ist es meisten. So könnte es auch in der Medienbranche sein.

Wie gesagt, die Pressekrise ist bekannt und oft genug beschrieben worden. Interessanter als die Bestandsaufnahme ist die Prognose, der Blick in die Zukunft. Welche Formen des Journalismus wird es in fünf Jahren geben? Welches Geschäftsmodell wird Erfolg haben?

Meine Überzeugung vorneweg:

Der Journalismus der Zukunft wird ein besserer sein. Er wird kompetenter, einzigartiger, interessanter. Der Umbruch, ist ein notwendiger. Er basiert nämlich nur auf den ersten Blick auf wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Sie aber haben ihre Ursache in überkommene Strukturen. Die werden nun weggefegt. Das Bessere war schon immer der Feind des Guten. Und wie immer während eines Strukturwandels wird es Gewinner und Verlierer geben. So viel lässt sich schon heute sagen: Gewinnen wird der Journalismus und mit ihm die Journalisten, verlieren werden die Verlage.

Die Begründung der Überzeugung:

Der aktuelle Arbeitsalltag der meisten Journalisten ist ein Anachronismus. Es basiert auf den Bedingungen einer vergangenen Epoche. Die Verlage arbeiten, als sei das Internet noch nicht erfunden. Am Morgen fahren die Redakteure in ihre Redaktionen, setzen sich an ihre Schreibtische, schalten ihre Computer an (oder gibt es irgendwo noch Schreibmaschinen;-)), konferieren in Konferenzräumen und liefern am Abend ihre Inhalte ab. Danach ist Dienstschluss.

Diese Arbeitsweise wird in zweifacher Hinsicht den heutigen Notwendigkeiten nicht mehr gerecht:

1) Die hohen Kosten der Infrastruktur sind überflüssig. Um journalistisch arbeiten zu können, braucht es in erster Linie einen Computer, einen Internetanschluss, ein Telefon - nichts also, was nicht sowieso jeder zu Hause hat. Was sich deshalb verändern wird: Die Arbeit wird in Zukunft dezentraler organisiert werden. Man spart sich Kosten für die Infrastruktur (Gebäude, Miete, Computer); auf der anderen Seite werden die Journalisten freier, weil sei nicht mehr jeden Morgen zur gleichen Uhrzeit am gleichen Ort erscheinen müssen. Was zählt ist das Ergebnis.

2) Der Output der herkömmlichen Arbeitsweise ist ungenügend: Durchschnittsware massenhaft! Die meisten Redaktionen arbeiten noch als seien sie Monopolisten der Information. Mehr als 100 Redaktionen treffen sich in Deutschland Morgen für Morgen zur Konferenz, diskutieren über die gleichen Themen. Danach setzen sich die Redakteure an ihre Computer und schreiben ihre Geschichten – die Ergebnisse sind in der Mehrzahl austauschbar.

Angela Merkel hält in Berlin eine Regierungserklärung und die Newsportale berichten darüber, alle. Und am nächsten Tag stehen Artikel im Nordkurier und im Südkurier und in weiteren 100 Zeitungen. Weil man noch immer so arbeitet wie vor dem Zeitalter des Internet. Als fast jeder Leser nur eine Zeitung kannte und las, und deshalb gar nicht wusste, was woanders stand. Das Internet aber macht jede Information jedem zugänglich. Die massenhafte Berichterstattung in fast identischer Weise ist damit überflüssig. Sie wird es deshalb nicht mehr lange geben.

Was sich verändern wird. Es wird geschehen, was in jeder anderen Branche in der gleichen Situation auch passiert: Die Unternehmen versuchen sich von der Konkurrenz abzusetzen, indem sie besser oder anders werden.

Für qualitativ hochwertigere Inhalte aber muss sich der Arbeitsprozess vieler Journalisten ändern, vor allem vieler Online-Journalisten. Sie werden bald nicht mehr in Redaktionen sitzen und Themen zugewiesen bekommen, heute über die Finanzkrise, morgen über Handytests und übermorgen über ein Theaterstück – mit dem stetige Begleiter des Halbwissens im Handgepäck. Diese Form des Journalismus mag der Leser akzeptiert haben, als das Medienangebot eingeschränkt war. In der Internetzeit verzichtet er auf derartige Inhalte dankend. Weil er im Netz mehr Kompetenz findet: Den Ökonomen, der die Ursachen der Wirtschaftskrise aufschlüsselt; den hauptberuflichen Tester, der die Schwächen der Handys en detail beschreiben kann; den einschlägigen Theater-Kritiker, der die Schauspieler persönlich kennt.

Deshalb: Die Zukunft des Journalismus verbindet Fachwissen mit dem Können, dieses anschaulich zu vermitteln. Gut möglich, dass diese Aufgabe zunehmend Blogger ausfüllen. Sie sind Experten auf ihrem Gebiet. Sie haben gelernt sich mitzuteilen. Sie diskutieren mit ihren Usern. Ihr Interesse für ein Thema endet nicht mit Dienstschluss. Geschichten werden weitergedreht, fortgeführt, erleben neue Wendungen, auch mit Hilfe der Blogleser. Außerdem: Blogger schreiben häufig nicht hauptberuflich. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit tragfähiger Geschäftsmodelle. Wer einem Blogger 1000 Euro im Monat für seine Inhalte bietet, wird auf Dankbarkeit stoßen; ein Redakteur in Vollzeit kann davon nicht leben.

Außerdem: Im Journalismus wird zunehmend Suchkompetenz verlangt. Es schreiben in Zukunft nicht mehr 100 Redakteure mit ähnlicher Kompetenz über die gleichen Themen. Jeder schreibt, worüber er am meisten weiß. Alles andere wird verlinkt. Dafür muss man die besten Inhalte im Netz aufspüren. Und das Netz ist nahezu grenzenlos. Das verlangte viel Wissen.

Und die Verlage? Die Hürde des Publizierens ist nicht mehr vorhanden. Die Folge: Journalisten können erstmals selbst publizieren und damit - zumindest theoretisch - ein Millionenpublikum erreichen. Es muss kein Papier gekauft, keine Druckmaschine gemietet, kein Austräger bezahlt werden. Der Journalist wird gleichzeitig Publizist und Verleger.

Allerdings werden es Einzelkämpfer auch in Zukunft schwer haben. Die meisten Blogs erhalten nur eine beschränkte Aufmerksamkeit. Sie werden häufig von Fachleuten für Fachleute geschrieben. Der Musiknerd schreibt für Musiknerds, der Volkswirt für Volkswirte, der Kinofreak für Kinofreaks. Dabei steht Vieles in Blogs, was Viele interessieren könnte; aber eben nicht zu jeder Zeit und nicht jeder Inhalt. Hier liegt das Geschäftsmodell der Zukunft: Blogger/Journalisten schließen sich zu Netzwerk zusammen. Jeder Autor behält seinen Blog, präsentiert diesen aber auf gemeinsamen Plattformen.

Eine Plattform präsentiert somit alle relevanten Inhalte eines Nachrichtenportals. Auf der Startseite wird aus der Vielzahl der Experteninhalte, die zu einer bestimmten Zeit besonders interessierenden Inhalte angezeigt. Nach einem Flugzeug-Absturz wird ein Post des Verkehrsexperten angerissen, wo dieser erklärt, warum das Unglück nicht abwendbar war. Zum Kinostart eines Blockbuster-Films wie „Operation Wallküre“ diskutiert der Kinofilm-Blogger die Besetzung der Hauptrolle mit Tom Cruise. Zeigt man darüber hinaus noch die besten Inhalte anderer Webseiten an, erhält man mit überschaubarem Aufwand ein umfassenden Nachrichtenportal mit außerordentlich kompetenten Inhalten. Das Beste vom Besten. Ein Verlag braucht es dafür nicht, auch deshalb, weil die Vermarktung des Portals extern vergeben werden kann. Alles was nötig ist: ein Netzwerk von Journalisten.

Zusammenfassung der zukfünftigen Veränderungen im Journalismus:
* Die massenhafte Anfertigung fast identischer Inhalte wird einer größeren Differenzierung und einer besseren Qualität weichen.
* Journalisten benötigen stärker als bisher Fachwissen und werden ihre Veröffentlichungen auf dieses Gebiet konzentrieren
* Journalisten benötigen stärker als bisher Suchkompetenz, um jene Inhalte, die sie nicht selbst erstellen, im Netz zu finden und gesammelt zu präsentieren.
* Der bei einem Verlag angestellte Journalist, der jeden Morgen ins Büro fährt, wird es zunehmend weniger geben. Weil die Infrastruktur nicht nötig ist, weil es grundsätzlich Verlage zum Publizieren immer weniger braucht.

Mittwoch, 28. Januar 2009

Ohne Moos was los

Job verloren? Praktisch pleite? Kein Problem! Zumindest in der digitalen Welt kann man fast ohne Geld überleben.

Es könnte in Deutschland eine halbe Million treffen. So viele Menschen werden nach Schätzung der Bundesregierung im Laufe des Jahres in Folge der Wirtschaftskrise zusätzlich arbeitslos werden. Insgesamt wären es dann 3,5 Millionen.

Wen es trifft, der muss lernen mit weniger auszukommen. Weniger Urlaub, weniger Ausgehen, weniger Luxus. Auch weniger Kommunikation? Weniger Information? Weniger digitales Leben?

Im Internet gibt es vieles umsonst. Musik, Information, Speicherplatz. Was man vor Jahren noch kaufen musste, erhält man heute kostenlos. Eigentlich fast alles, wenn man etwas intensiver sucht. Nur für die Grundausstattung will bezahlt sein: der Computer, der Handy-Vertrag, der Internetzugang. Ersteres ist, seit es die kleinen Minicomputer gibt, ab 200 Euro zu haben, achtet man auf Qualität, ist man ab 400 Euro dabei. Handy-Vertrag und Internet-Flatrate für daheim gibt es jeweils ab rund 20 Euro im Monat. Das ist die Basis. Darunter geht es kaum. Mehr aber braucht es nicht. Hier eine Liste aller wesentlichen Dienste, die man benötigt, um in der digitalen Welt dabei zu sein.


Software für 0 Euro!
Wer den Marktführer kauft, wird arm. Keine Software ist weiter verbreitet als das Standardpaket "Office" von Microsoft mit Textverarbeitung (Word), Tabellenkalkulation (Excel) und Präsentation (Powerpoint). Wer es kauft zahlt 549 Euro. Fast genauso umfangreich aber ist zum Beispiel Open Office, Kostenpunkt hier: 0 Euro. Nicht nur für Standard-Anwendungen gibt es mittlerweile Freeware-Alternativen. Täglich kommen neue kostenlose Programme auf den Markt, für fast sämtliche Anwendungen. Wer hier auf dem Laufenden bleiben will, der kann das prima bei heise.de tun. Außerdem: Der Trend geht weg vom Download der Software auf den eigenen Rechner, hin zur Webapplikation, bei der man über den Internet-Browser die Anwendung bedient, wofür diese nicht auf den Computer geladen werden muss. Der große Vorteil: Flexibilität. Die Anwendung kann von jedem Computer mit Internetzugang verwendet werden.

Mein Favorit: Google Docs. Ersetzt Word, Excel und Powerpoint, zumindest dessen Grundfunktionen. Dass es nur die Basics des großen Bruders von Microsoft hat, bringt einen weiteren Vorteil mit sich: Google Docs ist leicht zu verstehen. Außerdem taugt es hervorragend, wenn mehrere Personen an einem Dokument arbeiten wollen. Die Share-Funktion ist simple und zuverlässig.


Musik soweit der Klick reicht!
Langsam wird es schwierig, die Übersicht über alle Musikanbieter zu behalten. Deezer, Spotify, Simfy heißen drei von vielen Angeboten, die dem Platzhirsch last.fm Konkurrenz machen. Im Grunde gibt es zwei unterschiedliche Modelle. Bei Angeboten wie last.fm hört man Musik nach Stilen. Man kann dort keine Songs explizit auswählen und abspielen, sondern nur Musikrichtungen bestimmen. Bei anderen Angeboten wie Simfy, lädt man dagegen seine eigene Musik ins Netz und teilt sie so mit ausgewählten Freunden.

Mein Favorit: laut.fm aus Konstanz. Das Konzept besteht aus einer Mischung der beiden oben genannten Varianten. Nutzer können kostenlos einen individuellen Radiostream erstellen und im Netz verbreiten. Die verwendeten Tracks kommen dabei sowohl aus dem Musikkatalog von laut.fm als auch von der Festplatte des Anwenders. Nicht zu vergessen: Natürlich gibt es auch das gute alte Radio im Internet. Alle Sender, alle Streams, alle Infos zu den Sendungen findet man gut aufbereitet bei radio-today.


Fernsehen ohne Fernseher!

Fast jeder Fernsehsender bietet mittlerweile Teile seines Fernsehprogramms in so genannten Mediatheken an. Fernsehen on Demand sozusagen. Die Auswahl aber ist meist sehr überschaubar. Besser ist dran, wer einem Computer inklusive DVBT-Empfänger hat. Der macht den Computer zum Fernseher. Ansonsten braucht es einen externen DVBT-Empfänger, der über USB angeschlossen wird. Kosten: ab 30 Euro .

Mein Favorit: Zattoo. Mit diesem kostenlosen Programm kann man Fernsehen über das Internet schauen. Alle öffentlich-rechtlichen Sender sind hier vertreten, inklusive seiner Spartenprogramme wie ZDF-dokukanal, Arte oder 3sat. Die Qualität von Bild und Ton ist mittlerweile akzeptabel. Allerdings: Von der GEZ ist man nicht befreit, wenn man über das Internet fern sieht.


Bleibe in Kontakt!
Wer-kennt-wen, StudiVZ, Facebook - Nie war es einfacher, mit seinen Freunden rund um den Globus in Kontakt zu bleiben. Für umme. Sämtliche Community-Portale verlangen, zumindest in ihrer Basisvariante, kein Geld. Das Gleiche gilt für alle anderen Kommunikationsformen im Internet. E-Mailen, Chatten, Telefonieren - für nichts muss heute noch bezahlt werden.

Meine Favoriten: Skype fürs Chatten und Telefonieren (auch Videotelefonie!); weil die Sprach- und Bildqualität akzeptabel und die Verbreitung der Software groß ist (letzteres ist entscheidend, denn der Gesprächspartner muss die gleiche Software verwenden). Facebook für den stetigen Austausch mit Freunden; weil es die meisten Funktionen bietet, zum Beispiel: Videos, die man bei Youtube favorisiert, werden automatisch im eigenen Facebook-Profil angezeigt. Nette Kleinigkeiten eben.


Sag Deine Meinung!
Jeder kann heute sein eigener Verleger sein. In Deutschland betreiben laut der Allensbacher Computer- und Technik-Analyse 8,4 Prozent der Internetnutzer ein eigenes Blog. Es braucht keine 20 Minuten, um ein solches Blog anzulegen. Das kostet bei den meisten Bloganbietern nichts. Nur wer zum Beispiel besonders viel Speicherplatz benötigt, muss extra zahlen.

Meine Favoriten: Der Marktführer Wordpress, sowie das 2003 von Google übernommene Unternehmen Blogger. Bei beiden Anwendungen braucht man keine Programmierkenntnisse, kann unter einer Vielzahl von Layouts wählen und hat dank der Übersichtlichkeit der Anwendungen schnell seinen ersten Text online stehen.


Organisiere und speichere Dein Leben!
Es ist ein Glaubenskrieg. Die einen schwören auf Papier und schreiben deshalb alle ihre Notizen, Termine, Aufgaben auf Blöcke oder in Büchlein. Die anderen organisieren ihre Leben mit Hilfe des Netzes. Beides kostet wenig bis gar nichts.

Meine Favoriten: toodledo und zenbe. Letztere Anwendung hat zudem eine komfortable Kalender- sowie E-Mail-Verwaltungsfunktion und speichert außerdem Dateien.

Apropos „Dateien speichern“: Nichts ist wichtiger als regelmäßig seine Daten zu sichern. Man kann das als Backup auf einer externen Festplatte tun oder über das Internet. Einfacher als Dropbox bietet das zur Zeit keiner an. Lädt man die Anwendung auf seinen Rechner, installiert sich automatisch ein Ordner. Alles was man in diesen Ordner legt, wird zum einen auf dem eigenen Rechner, zum anderen über das Internet auf einem Dropbox-Server gespeichert. Zudem ist es ein Kinderspiel, Dropbox-Ordner zu „sharen“, also die Dateien darin auch mit anderen zu teilen. Bis zu einer Datenmenge von 3 GB zahlt man dafür nichts.

Mittwoch, 21. Januar 2009

Neue Töne

Die Musikbranche kämpft ums Überleben, mit dem einzigen was sie retten kann: frischen Ideen

Am Samstag ist es wieder soweit, um 20 Uhr. Die Berliner Philharmoniker spielen auf, Robert Schumann, Violinenkonzert d-Moll, unter anderem. Das Konzert ist ausverkauft. Wie meistens. Die Auslastung liegt bei 98 Prozent. Und trotzdem kann jeder dem Konzert folgen, mit Augen und Ohren - im Internet. Denn seit wenigen Wochen übertragen die Berliner Philharmoniker ihre Konzerte auf einer eigenen Webseite. Sie nennen sie die "Digital Concert Hall". Für 9,90 Euro der Abend.

Die Idee ist nicht neu. Vergangenen Sommer wurde die Aufführung der "Meistersinger von Nürnberg" bei den Bayreuther Wagner-Festspielen via Internet übertragen - für 49 Euro.

An allen Ecken und Enden sucht die Musikbranche nach neuen Einnahmequellen. Sie hat es bitter nötig. Das über Jahrzehnte prächtig funktionierende Geschäftsmodell, Tonträger der von den Plattenfirmen ausgewählten Interpreten zu verkaufen und damit die Kassen klingeln zu lassen, bricht zusammen. In den USA zum Beispiel ist der Verkauf von CDs 2008 im Vergleich zum Vorjahr um 20 Prozent eingebrochen.

Zwar steigt in ähnlicher Größenordnung die Zahl der legalen Musikdownloads. Doch im Grunde vergleicht man Äpfel mit Birnen. Werden im Internet vor allem einzelne Songs runter geladen, werden bei CDs meist ganze Alben verkauft. Eine CD entspricht damit rund 10 Internetdownloads. „Man kann mit den reinen Umsatzstückzahlen zufrieden sein“, sagt der Chart-Chef vom „Billboard Magazine“, Silvio Pietroluongo, „aber das Modell ist im wesentlichen auf den Verkauf ganzer Alben gestützt, und der geht weiter zurück.“

Das alte Geschäftsmodell taugt nicht mehr. Das ist seit Jahren bekannt. Vor allem wegen der nicht einzudämmenden Zahl an illegalen Downloads. Für 95 Prozent der Lieder wird im Internet nicht bezahlt, beklagt der Weltverband der Phono-Industrie. Aber erst jetzt, mit dem Rücken zur Wand, entwickelt die Musikkonzerne neue Geschäftsmodelle. Sie übertragen Konzerte im Internet, gegen Gebühr, oft auch werbefinanziert. Sie kooperieren mit einer wachsenden Zahl an Online-Musikdiensten wie Last-FM und erhalten dafür Lizenzgebühren. Sie verkaufen Musik an Handy-Hersteller wie Nokia, die ihre Geräte dafür mit einer umfangreichen Liedersammlung ausstatten dürfen. Sie kümmern sich verstärkt um Live-Auftritte ihrer Künstler. Sie schließen sich zusammen, um eine gemeinsame Onlineplattform für Musikvideos zu gründen. Sie verbessern die Musikqualität der Downloads und des sofort Hörens per Stream, um neue Kunden zu gewinnen.

Erste Erfolge zeigen sich bereits in den Bilanzen. Die konkreten Branchenzahlen will der Bundesverband Musikindustrie erst Ende März vorlegen, so viel aber hat er schon jetzt verraten: 2008 hatte die Branche in Deutschland nur ein "kleineres Umsatzminus im einstelligen Bereich" zu verkraften. Was vor allem daran liege, dass die Gewinne aus Lizenzen, Konzerten und Merchandising angestiegen sind. Offensichtlich hat die Musikbranche zwar den Kampf gegen illegale Musikdownloads verloren, diese Niederlage aber hat ihr die Augen für neue Formen der Vermarktung geöffnet. Das Requiem für die Musikindustrie jedenfalls muss so schnell nicht gespielt werden. Vielleicht braucht es bald ein ganz neues Stück. Vielleicht eine Ode an das Internet.

Mittwoch, 14. Januar 2009

Kaufst Du noch, oder mietest Du schon?

Softwarekonzerne wie Microsoft und SAP müssen umdenken - Ihr altes Geschäftsmodell hat ausgedient

Satyam fällt aus dem Rahmen. Denn die Branche hat Betrug eigentlich nicht nötig. Es geht ihr gut. Vielleicht ging es Satyam nicht gut genug. Oder zu gut. 53 000 Menschen arbeiten für den indischen Software-Riesen. Dessen Gründer und Chef Ramalinga Raju hatte vergangene Woche zugeben müssen, über Jahre Geschäftszahlen massiv geschönt zu haben. Von den 53,6 Milliarden Rupien (800 Millionen Euro), die Satyam als Vermögenswerte in der Bilanz führe, seien 50,4 Milliarden fiktiv, räumte Raju in einem Brief an den Verwaltungsrat und die Börsenaufsicht ein und trat noch am selben Tag zurück. Die Satyam-Aktien stürzten um 80 Prozent ab (mehr zum Bilanzskandal, hier).

"Ich habe einen Tiger geritten, ohne zu wissen, wie ich absteigen kann, ohne gefressen zu werden", schreibt Raju in dem Brief. Er habe die Zahlen geschönt, um eine Übernahme Satyams zu erschweren.

Wie gesagt, eigentlich hat die Software-Branche einen solchen Betrug nicht nötig. In Deutschland zum Beispiel rechnet der Branchenverband Bitkom damit, dass trotz Wirtschaftskrise der Umsatz mit und rund um Software dieses Jahr um 3,1 Prozent auf 48,5 Milliarden Euro zulegen wird.

Weltweit hat der Markt allein für Unternehmenssoftware 2008 die 230 Milliarden-Dollar-Marke erreicht. Das entspricht einem Zuwachs von 13,9 Prozent. 2009 sollen es weitere 6,6 Prozent sein, prognostiziert die Unternehmensberatung Gartner laut der Fachseite IT-Times. Doch die sonnigen Zeiten könnten bald vorbei sein. Denn die Branche steckt mitten im Umbruch. Und dieser Umbruch hat einen kryptischen Namen: SaaS. Es ist die Abkürzung für „Software as a Service“ und meint ein Geschäftsmodell, bei dem Software lediglich als Dienstleistung bereitgestellt wird, in der Regel als Anwendung im Browser, also über das Internet.

Früher wurde Software in CD-Form verkauft. Handelte es sich um Firmensoftware musste diese auf dortigen Servern installiert werden. Damit die Buchhaltung erledigt, die Produktion geplant, die Aufträge verwaltet werden konnten. Viel Computertechnik war dafür in den Betrieben notwendig. Es musste installiert, angepasst und gewartet werden.

Zunehmend wird Software webbasiert angeboten. Die Mitarbeiter der Unternehmen müssen nur noch die entsprechende URL im Browser eingeben und schon kann mit der Anwendung gearbeitet werden. Die Software hierfür wird meist nicht mehr verkauft, sondern lizenziert, also für die Zeit der Nutzung vermietet.

Für den Lizenznehmer ist das praktisch, weil die Kosten überschaubar, hohe Anfangsinvestitionen nicht nötig sind. Einer Studie der Unternehmensberatung Saugatuck Technology zufolge mieten mittlerweile fast 40 Prozent aller Unternehmen webbasierte Software. Bis 2010 soll der Anteil auf 65 Prozent steigen.

Die Software-Firmen müssen ob dieser Entwicklung gleich mehrfach umdenken. Basis-Software fürs Internet gibt es heute meist als Open-Source, also kostenlos; weil Software-Entwickler weltweit an den Programmen mitschreiben. Darauf aufbauend, können einfachere Programmiersprachen verwendet werden als beim Programmieren kompletter Software-Produkte. Es werden folglich weniger hochqualifizierte Programmierer gebraucht. Die Entwicklungskosten für Software fallen dadurch um den Faktor 10, schätzt die Fachseite netzwertig.com.

Hinzu kommt die nicht mehr benötigte technische Infrastruktur vor Ort, womit für die Software-Firmen Einnahmemöglichkeiten für Aufbau und Wartung entfallen. Doch die größte Gefahr droht den etablierten Konzernen von noch unbekannter Seite. Nämlich von all jenen Firmen die es aktuell noch gar nicht gibt, oder die gerade entstehen. Einstiegsbarrieren für Software-Ersteller gibt es kaum noch. "Dank der stark gesunkenen Kosten können jetzt ein paar Programmierer ohne große Finanzierung durchaus ein sehr leistungsfähiges Produkt auf die Beine stellen, was früher kaum möglich gewesen wäre", meint Andreas Göldi von netzwertig.com. Die Konkurrenz in der Branche wird also zunehmen. Software-Riesen wie SAP oder Microsoft werden unter Druck geraten – zum Vorteil für die Kunden: die Auswahl nimmt zu, die Preise fallen.

Mittwoch, 7. Januar 2009

Der Schatz im Silbersee

Wer über 50 ist, gehört im Internet zur Gruppe der Silversurfer - Noch sind es wenige, bald wird sich jeder um sie reißen

Das Internet hat unser Leben verändert, heißt es. Ein Leben ohne das World Wide Web ist nicht mehr vorstellbar, sagt man. Digitale Informationen begleiten uns stetig, verkündet die Werbung.

Die Realität ist eine andere: Nur wer mit dem Internet groß geworden ist, nutzt es intensiv und selbstverständlich. Die anderen lassen die Finger davon. Zumindest in ihrer Freizeit. 71 Prozent der über 55-Jährigen in Deutschland bewegen sich privat gar nicht oder nur selten im Internet. Das ist ein Ergebnis einer Studie der BAT Stiftung für Gesellschaftsfragen. Bei den 14- bis 29-Jährigen ist es umgekehrt: 71 Prozent nutzen in der Freizeit das Internet mindestens einmal die Woche.

Bisher verändert das Internet demnach weniger den Einzelnen als vielmehr die Gesellschaft, genauer gesagt das Leben der Generationen. Wer dieses Jahr mit dem Studium beginnt, hat ein Leben ohne das Internet nicht gekannt. Die Generation davor hätte die Buchstabenfolge "www" noch für einen missglückten Tastenanschlag auf der Schreibmaschine gehalten. Das Wissen der Welt stand im Eicheschrank des elterlichen Wohnzimmers. Und für diese Generation hat sich wenig geändert, sieht man davon ab, dass der Eicheschrank nun im eigenen Wohnzimmer steht.

Aber was ist mit jenen 29 Prozent der über 55-Jährigen, die mindestens einmal pro Woche im Netz sind? Sie nutzen das Web, als sei nicht 2009, sondern noch immer die 90er Jahre. Wer älter und regelmäßig im Internet ist, schreibt Mails oder surft allgemeine Webseiten an. Das, was das neue Internet ausmacht und gemeinhin als Web 2.0 bezeichnet wird, kennt er nur vom Hörensagen - wenn überhaupt.

Die ARD/ZDF-Onlinestudie ist die größte regelmäßige Untersuchung zum Internetverhalten der Deutschen und sie sagt folgendes: Nur ein Prozent der über 60-Jährigen regelmäßigen Internet-Nutzer hat sich Blogs wenigstens einmal angesehen; nur ein Prozent hält sich zumindest ab und zu in virtuellen Spiele-Welten wie Second Life auf; nur ein Prozent ist in Communities wie Facebook oder MeinVZ immerhin halbwegs aktiv; nur ein Prozent nutzt Fotosammlungen wie von Flickr; nur ein Prozent pflegt Lesezeichen-Sammlungen etwa bei Delicious oder Mister Wong. Lediglich Videoportale wie beispielsweise Youtube liegen mit 9 Prozent jenseits der Nichtbeachtungsgrenze.

"Seit diesem Monat sind wir profitabel", sagt Gerald Unden. Er ist Geschäftsführer von fiftiesnet.de, einer Internet-Plattform, die es nach den Zahlen von oben eigentlich gar nicht geben dürfte. Denn die Zielgruppe für das Angebot nennt man hier euphemistisch „Bestager“ oder „Silverager“. Dabei ist der Portalname fiftiesnet der einzige Anglizismus auf der Webseite. Chatroom heißt hier Erzählcafe, flackernde Werbung ist nicht vorhanden, der Anmeldeprozess ein Kinderspiel. Die Themen, auf die man klicken und über die man diskutieren kann, heißen "Meine Zukunft", "Gesundheit", "Computer" und "Freizeit".

Noch sind solche Angebote Exoten im Netz. Noch sind die Mitgliedszahlen der Communities dort überschaubar. Doch das Potential ist groß. 40 Prozent der Deutschen sind 50 und älter. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis diese das Internet mit allen Facetten nutzen werden. Denn die Jungen werden älter, die Bedienung der Computer einfacher; vor allem aber passt das Internet eigentlich viel besser zu den Alten als zu den Jungen. Wer jung ist, geht nach draußen, als Kind zum Spielen, später für Reisen in ferne Länder. Die Alten bleiben zu Hause, sitzen am Küchentisch, liegen im Bett - auf dem Schoß der Laptop. Das Internet ist das beste Mittel gegen die Isolation der Immobilität. In einigen Jahren wird man den Begriff "Internet" nicht mehr als erstes mit „Jugend“ assoziieren. Es wird das Kommunikationsmittel der Alten sein. Es hält sie am Leben, weil es sie im Leben hält.

Die Voraussetzungen für ein solches Leben werden gerade geschaffen: durch die schnelle Datenverbindung. 70 Prozent der Internetnutzer in Deutschland verfügen bereits über einen Breitband-DSL-Internetzugang. Bei den über 60-Jährigen liegt die Verbreitung mit 54 Prozent nicht wesentlich darunter. Unterscheidet man zwischen unterschiedlichen DSL-Leitungen, liegen die Alten bei der schnellen 6-Mbit-Variante mit 27 Prozent Durchdringung sogar vorne. Über alle Altergruppen haben nur 23 Prozent einen solchen Anschluss. "Meines Wissens ist fiftiesnet die einzige nennenswerte Community, die aktuell Geld verdient", sagt Geschäftsführer Unden. Kein Wunder, denn die Statistik sagt auch, dass die Älteren in Deutschland mehr Geld zum Ausgeben haben, als die Jüngeren. Mit gezielter Werbung lässt sich offenbar profitabel arbeiten. Gut möglich, dass die Zeit der Silversurfer gerade beginnt.

Samstag, 3. Januar 2009

Das Auge liest mit

Gelungenes Design im Internet funktioniert nach einem einfachen Prinzip: Alles oder Nichts

Wer im Internet überzeugen will, dem bleibt die Zeit eines Wimpernschlags: Gelangt man auf eine neue Internetseite, wird nach einer zwanzigstel Sekunde bereits ein erstes Urteil gefällt. "Der erste visuelle Eindruck beeinflusst den weiteren Entscheidungsprozess der Nutzer enorm und kann somit als ein grundlegender Baustein zum Aufbau und Vertrauen in die Seite gesehen werden", meint der Webseiten-Entwickler und Designer Vitaly Friedman.

Das Fundament für den Erfolg einer optisch beeindruckenden Internetseite ist zweieinhalb Tausend Jahre alt. Es stammt von dem Griechen Euklid von Alexandria. Der Mathematiker aus dem 4. Jahrhundert vor Christus hat den Begriff des goldenen Schnitts geprägt. Der besagt, dass die Trennung von Flächen und Geraden immer dann als harmonisch empfunden wird, wenn das Verhältnis fünf zu drei beträgt. Zum Beispiel wirken Landschaftsaufnahmen dann besonders gut, wenn fünf Teile Himmel und drei Teile Erde zu sehen sind. Das Prinzip funktioniert auch im Internet: Eine optische Aufteilung im Verhältnis des goldenen Schnitts lässt eine Seite harmonisch und aufgeräumt wirken.

Grundsätzlich gilt: Das Ordnen der Internet-Seite in inhaltliche Blöcke ist wichtige Bedingung für gelungenes Design. "Studien haben gezeigt", so Friedman, "dass wir Webseiten nicht nach einem typischen Schema scannen, sondern eine Art Zickzack-Analyse nach dem F-Muster durchführen." Das F-Muster meint, dass sich User Internetseiten in der Weise anschauen, dass ihr Augenverlauf den Buchstaben "F" ergibt. Sie scannen zuerst den Kopf der Webseite, anschließend den linken Bereich, dann den Hauptbereich, der oft quer in der Mitte liegt. Auf diese Weise wird sortiert, kategorisiert und anschließend die Entscheidung für die nächste Seitenaktion getroffen.

Um den User auf diesem Weg zu unterstützen, sollten Internet-Seiten in einzelne Blöcke aufgeteilt werden. Denn "bevor ein Benutzer seine nächste Entscheidung treffen kann, muss er präsentierte Inhalte in verdauliche Bruchteile auflösen", schreibt Friedman im "Praxisbuch Web 2.0". Einfaches Mittel um diese Blockbildung zu erreichen: Zwischen unterschiedlichen Elementen einer Seite Abstand halten - der leere Raum als wichtige Design-Regel.

In der Design-Szene spreche man dann von einem gelungenen Design, so Friedman weiter, wenn dieses entweder sofort ins Auge springe oder unsichtbar bleibe. "Ein unsichtbares Design ist häufig weit effizienter als ein buntes Farbenspiel, vor allem weil es nicht die Gestalt der Seite betont, sondern den Inhalt der Beiträge.“

Doch was sich zunächst leicht anhört, ist in der Praxis schwer umzusetzen. Denn wo nichts ist, da ist eben auch kein Inhalt. Gerade bei größeren Portalen, wie zum Beispiel Nachrichten-Diensten, bei denen es darauf ankommt, besonders viele Inhalte zu präsentieren, bedarf es des Kompromisses zwischen großzügigem Design und der Übermittlung möglichst vieler Informationen. Weniger ist eben auch nicht immer mehr. Oder wie es der Designer Milton Glaser sagte: Less isn't more, enough is more - Weniger ist nicht mehr, gerade genug ist mehr.

Die gekonnte Reduktion aber ist nur eines von mehreren Merkmalen gelungener Webseiten. Was ebenfalls wichtig ist:
  • Die optisch strikte Trennung der eigentlichen Seiteninhalte von Seitenattributen wie Navigation oder Kontaktinformationen.
  • Ein starkes Augenmerk auf die richtige Farbauswahl. Zur Zeit in Mode: sowohl weiche Farben, die den Eindruck von Ruhe und Behaglichkeit vermitteln als auch starke Farbkontraste, um beim Seiten-Besucher einen bleibenden Eindruck zu erwecken.
  • Ein besonders typisches Merkmal des Web 2.0-Designs: abgerundete Ecken. Friedman: "Während Kästen und rechteckige Gebilde eher für praktische Zwecke gedacht sind, können abgerundete Objekte sich davon abheben und eine natürliche Form vorweisen." Das wirke attraktiv und spielerisch.
  • Bei der Wahl der Typografie werden zudem zunehmend serifenlose Schriften bevorzugt. Als Serife (französisch „Füßchen“) bezeichnet man die feine Linie, die einen Buchstabenstrich am Ende, quer zu seiner Grundrichtung abschließt. Serifen erhöhen prinzipiell die Lesbarkeit von Buchstaben. Generell eignen sich Serifenschriften aber eher für gedruckte Schrift.
Und was ist eigentlich mit Bildern? Der Volksmund sagt: Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte. Informatik-Professor Mario Fischer meint: "Als sich das Sprichwort eingebürgert hat, gab es noch keine Webseiten." Und es habe damals noch keine verzweifelten Versuche gegeben, mit Bildern, Grafiken und Icons auch wenigstens nur ein einziges Wort zu ersetzen. Der Vorteil von Bildern sei zwar, dass man sich an sie viel besser erinnere als an Worte. Das Problem: Bilder, Grafiken und Icons seien in ihrer Aussage selten eindeutig. Die Folge: Die Seitenbesucher verstehen sie nicht. Sprache sei dagegen meist klarer. Für das Internet kehrt Fischer die Volksweisheit deshalb um: "Ein Wort sagt mehr als 1000 Bilder."

Donnerstag, 1. Januar 2009

Wie wir lernen werden

Noch immer wird Wissen vermittelt als hätten wir eben erst den Buchdruck erfunden

Wer seit 1990 geboren wurde, der hat eine Welt ohne Internet nie kennen gelernt. Das World Wide Web ist so alt wie ein Mensch zum Erwachsen werden braucht, und vor allem für die Jüngeren ist es selbstverständlicher Bestandteil ihres täglichen Lebens geworden. Eine Studie der US-amerikanischen Universität von Wisconsin-Madison und der Bildungsplattform Educause unter amerikanischen Studenten bestätigt die Erwartung: 99 Prozent der Studenten besitzen einen Computer; 99,9 Prozent schreiben, lesen und verschicken regelmäßig E-Mails; 84 Prozent nutzen Instant Messaging wie Skype oder ICQ; 82 Prozent sind in sozialen Netzwerken wie StudiVZ oder Facebook aktiv. 18 Stunden ist ein Student im Durchschnitt pro Woche online.

Wie aber verändert der unbeschränkte Zugang zu Information und Kommunikation das Lernen selbst? Passen die Formen der Bildung in Kindergarten, Schule und Universität noch zu den neuen Möglichkeiten der Wissensvermittlung?

Als es noch keine Bücher gab, waren die Alten in einer Gesellschaft die Träger von Erfahrung und Geschichte. Sie gaben weiter, was sie gehört, gesehen, erlebt hatten. Sie wurden dafür geachtet, verehrt, manchmal auch gefürchtet. Mit der Erfindung von Schrift und Papier wurden die Alten unwichtiger. Nun konnte Wissen konserviert werden. Über Generationen. Der Mensch als "Speichermedium" verlor an Bedeutung. Es begann die Macht der Schreiber. Wer bestimmen konnte, was niedergeschrieben wird, der hatte nicht nur Zugang zu diesem Wissen, er regulierte gleichzeitig, welches Wissen verbreitet wurde und noch wichtiger: welches nicht.

Nicht jeder durfte deshalb Bücher schreiben oder drucken. Staat und Kirche waren lange Zeit Monopolisten. Denn die Mächtigen hatten Angst, dass Wissen in der Hand vieler ihnen die Macht raubt. Wenn die Erde keine Scheibe, sondern eine Kugel ist, wo ist dann der Himmel? Wenn der Mensch einen eigenen Willen hat, warum soll er dann nicht auch für seine Rechte kämpfen dürfen? Wenn die Bürger jenseits der eigenen Landesgrenze ohne Unterdrückung leben können, warum dürfen die Menschen im eigenen Land es nicht?

Die Kämpfe um die freie Übertragung von Information sind weltweit gesehen noch nicht beendet. Dort wo das Informationsmonopol gefallen ist, haben die ehemals Mächtigen ihre Macht verloren. Das Erbe sind Freiheitsrechte und Demokratie.

Heute kommen weltweit 3000 neue Bücher auf den Markt - täglich. Durch Computer und Internet aber sind Bücher nicht mehr die einzigen Wissensspeicher. Die Menge an digitaler Information ist mittlerweile drei Millionen mal so groß wie alle Information, die je in Büchern geschrieben wurden (mehr dazu hier).

Dabei ist es weniger der zunehmende Wissenswachstum, der uns verändert. Es sind vielmehr die neuen Möglichkeiten mit diesem Wissen umzugehen. Früher lag das Wissen zwischen zwei Buchdeckeln und wurde entweder lesend aufgenommen oder von einem Dozenten vorgetragen. Wissensvermittlung war demnach an einen Ort und meist auch eine vorgegebene Zeit gebunden. Sie war strukturiert und geplant. Ohne Disziplin ging gar nichts. So funktioniert die Schul- und Hochschulbildung im Grunde immer noch. Dabei ist der Zugang zu Wissen heute sowohl örtlich als auch zeitlich unbeschränkt. Jeder in den reichen Ländern der Erde kann sich heute Wissen aneignen, wann und wo er will. In Häppchen, in ganzen Tutorien, was gerade gebraucht wird und wie viel Zeit wir dafür bereit sind zu geben.

Wie aber passen diese neuen Möglichkeiten zu den alten Lehrformen? Oder anders gefragt: Wie wird der technische Fortschritt unser Lernen verändern? "Wir fahren in die Zukunft, indem wir in den Rückspiegel schauen", hat der kanadische Kommunikationstheoretiker Marshall McLuhan einmal gesagt. Veränderung ergibt sich also immer mit dem Wissen über die Vergangenheit. Somit nutzen wir den technischen Fortschritt zunächst, um die alte Arbeit zu erledigen. Oft schneller und effizienter; aber eben zunächst nicht grundsätzlich anders.

Dass wir mit geänderten Möglichkeiten Arbeit auch ganz anders anpacken können, dafür braucht es meist eine ganze Weile. Mit anderen Worten: Die neuen Formen des Lernens entwickeln sich gerade erst. Fest steht schon jetzt: Das Internet ist nicht mehr nur ein Buch ohne Buchdeckel, durch das Inhalte konsumiert werden. Zunehmend entwickelt sich das World Wide Web zur Plattform, auf der Inhalte erstellt, geteilt, neu zusammengesetzt und weitergegeben werden. Das Internet bildet den Wissensprozess damit viel besser ab als ein Buch, das, einmal geschrieben, keine Veränderung mehr zulässt. Denn Wissen ist nur so lange wahr, bis es widerlegt wird. Das Bessere als Feind des Guten. Was aber das Bessere ist, sieht man erst, wenn es in der Welt ist - beim Blick in den Rückspiegel eben.