Freitag, 19. Dezember 2008

Where do we go? 10 Thesen zur Zukunft des Journalismus

These 1:
Der Journalismus muss und wird ein neues Geschäftsmodell finden

Womit verdienen Journalisten ihr Einkommen? Mit guten Geschichten, durch exklusive Nachrichten. Ja, aber ganz konkret? Woher fließt das Geld? In der Print-Branche gibt es bisher zwei Einnahmequellen: der Verkauf von Zeitungen und Zeitschriften sowie durch Einahmen der Werbeanzeigen, die in den Publikationen geschaltet werden.

Im Internet funktioniert das Prinzip der „doppelten Einnahme“ aktuell aber nicht. Die Bereitschaft der User, für Inhalt zu zahlen, beschränkt sich auf wenige exklusive Bereiche wie Börseninformationen oder Testberichte. Bleibt als einzige Erlösquelle die Werbung. Zwar wachsen die Ausgaben für Werbung im Internet stetig: Für 2008 werden in Deutschland 3,6 Milliarden Euro erwartet – ein Zuwachs von immerhin über 25 Prozent gegenüber 2007; der Marktanteil des Onlinebereichs im gesamten Medienmix erreicht in diesem Jahr damit bereits 13,5 Prozent (2005 waren es noch 4,4). Doch die Verlage streichen nur ein Teil des Geldes ein. Fast die Hälfte der diesjährigen Werbeausgaben werden allein für die Suchwortvermarktung ausgegeben (1,5 Milliarden Euro), also um etwa bei Google-Suchtrefferseiten in der rechten Spalte mit kleinen Textanzeigen aufzutauchen.

Das Internet scheint die alte Verbindung von Werbung und journalistischen Inhalten zum Teil aufgehoben zu haben. Weil der User im Internet häufig Sucher statt Leser ist. Wer einen MP3-Player verkaufen will, tut gut daran, dem User mit seinem Angebot dann unter die Augen zu kommen, wenn er eben gerade auf der Suche nach dem Musikspieler ist und nicht, wenn er einen Artikel über die Steuerreformpläne der Bundesregierung liest.

Ausblick:
Der Journalismus wird der Werbung hinterher ziehen. Klassische journalistische Darstellungsformen ergänzen sich um bisher unbekannte Formate, etwa journalistische Inhalte auf dem Mobiltelefon. Ein Beispiel: Wenn etwa ein Handy-Programm Touristen den Weg zu den Attraktionen der Stadt weist, dann werden auf dem Handy-Display Hotels und Gaststätten werben wollen. Zusätzlich können journalistische Texte, Bilder und Videos über die Geschichte der Stadt und aktuelle lokale Nachrichten das Angebot aufwerten.

Neben neuen Formen wird auch klassische Qualitätsjournalismus bestehen bleiben. Reichen Werbeeinnahmen nicht aus, um ihn zu bezahlen, wird die Bereitschaft zunehmen, für hochwertige Inhalte auch im Internet wieder Geld auszugeben. Warum? Gegenfrage: Warum nicht? Wieso sollte es keine Bereitschaft geben, für gute Inhalte zu bezahlen? Man kauft Autos, man kauft Bücher, man wird auch gut recherchierte Inhalte kaufen. Spätestens wenn der Mangel sichtbar wird. Gut möglich auch, dass sich dabei neue Formen der Finanzierung finden, Spenden zum Beispiel; damit finanziert sich etwa das Wissensportal „Wikipedia“.


These 2:
Das Medienangebot wächst rasant - und mit ihm die Konkurrenz

Nie war es einfacher, Nachrichten zu verbreiten, seine Meinung zu sagen. Die Kosten für die Verbreitung von Information über das Internet gehen gegen Null. Es brauchen keine Räume angemietet, keine Druckaufträge erteilt werden. Nicht mal um Werbeanzeigen muss sich aufwändig gekümmert werden. In 30 Minuten ist ein Blog eingerichtet, wenig später können Werbeanzeigen etwa von Google eingebunden werden.

Ausblick:
Im Internet werden neue Medienmarken entstehen, die mit guten Ideen und Inhalten den Etablierten Konkurrenz machen. Zudem wird es unter den Internetportalen zur Spezialisierung kommen. Die Abdeckung aller Themengebiete durch eine Redaktion wird es immer seltener geben, weil das Hintergrundwissen eines Experten nur einen Mausklick entfernt ist. Das Motto wird lauten: Do what you can do best, and link the rest!


These 3:
Die Qualität des Journalismus wird nicht ab-, sondern zunehmen

Wo der Kunde die Wahl hat, kümmern sich die Anbieter verstärkt um ihn. Der Kunde will umgarnt, überzeugt, gehalten werden. Konkurrenz belebt das Geschäft also. Diese Regel der Marktwirtschaft gilt auch für Medien. Der zunehmende Konkurrenz zwischen den Medien (siehe These 2) wird die Publizierer stärker als bisher an für Leser und User interessanten Publikationen arbeiten lassen. Sie müssen sich also mehr anstrengen. Allerdings stehen diesem Trend die Probleme der Finanzierung (These 1) gegenüber. Wo weniger Geld zu verdienen ist, sinkt die Qualität. Welcher Effekt wird stärker sein?

Ausblick:
Die größere Konkurrenz dank einfachem Publizieren wird ein dauerhaftes Merkmal der neuen Medienbranche bleiben. Dagegen sind die Probleme der Finanzierung der Medienbranchen ein aktuelles Umbruchphänomen, ausgelöst durch das Internet. Denn grundsätzlich spricht nichts gegen ein Finanzierungskonzept, das interessanten Inhalten Werbung zur Seite stellt. Denn Werbung möchte dort sichtbar sein, wo die Menschen ihre Aufmerksamkeit hin richten. Und es spricht ebenfalls nichts gegen eine Zahlungsbereitschaft für journalistische Inhalte. Deshalb stehen die Chancen gut, dass das Umbruchphänomen ein zeitlich begrenztes bleibt und somit auf lange Frist journalistische Angebote noch besser werden.


These 4:
Nachricht goes Community - und umgekehrt

Facebook, StudiVZ, Youtube und Twitter stehen für Erfolg im Internet. Nicht jedes Angebot steht wirtschaftlich in der Gewinnzone, aber allen ist gemein: Sie haben Millionen Mitglieder, die sich deswegen auf den Webseiten bewegen, weil sie sich dort austauschen, präsentieren, mitteilen können. Es ist die neue Form des ehemaligen Markplatz: Man trifft sich, schaut sich um, will gesehen werden, sich informieren, tratschen. Die Nachricht (und damit das Kerngeschäft des Journalisten) ist hier bestens aufgehoben.

Ausblick:
Nachrichtenportale werden verstärkt drei Strategien verfolgen:
1) Aufbau einer eigenen Community. Zentraler Bestandteil einer funktionieren Community ist dabei der Aktivity-Feed. Darunter versteht man das Aufzeichnen und Wiedergeben von User-Aktivitäten im Internet. User werden so stetig darüber informiert werden, was ihre Freunde tun. Die New York Times hat dies als erstes Nachrichtenportal umgesetzt. Ob ein Kommentar geschrieben, ein Beitrag empfohlen, ein Video weitergeleitet wird, immer erfahren es die Freunde unmittelbar. Am oberen Ende des Browserfenster wird auf jeder Seite der Aktivity-Feed angezeigt.

2) Nachrichtenportale begeben sich dorthin, wo die Community bereits ist. Sie twittern (zum Beispiel wie Der Westen) oder verteilen ihre Nachrichten bei Facebook (zum Beispiel zoomer.de)

Idealerweise verbinden sich die Communitys von Nachrichtenportalen und bestehenden Communitys. Auch hier ist die New York Times ein positives Beispiel: Installiert man auf Facebook die Anwendung "Times People" werden die eigenen Aktivitäten auf www.nyt.com in eigenen Facebook-Profil angezeigt. Ein empfohlener New-York-Times-Artikel wird somit automatisch allen Facebook-Freunden angezeigt.

3) Nachrichtenportale binden bestehende Communitys in die eigene Seite ein. Mit der Facebook-Anwendung "Connect" gibt es beispielsweise seit wenigen Tagen die Möglichkeit, Facebook-Funktionalitäten auf anderen Seite zu integrieren. So kann sich der User beispielsweise auf einer Nachirchten-Seite mit seinem Facebook-Profil anmelden um etwa die Kommentarfunktion und andere Funktionalitäten der Seite zu nutzen.


These 5:
Der User wird zum Co-Autor

Was in der Zeitung der Leserbrief, ist im Internet der User-Kommentar. Beide setzen sich in der Regel kritisch mit der Arbeit des Journalisten auseinander. Der Unterschied: Ein Kommentar im Internet ist schnell geschrieben und wird in der Regel an der gleichen Stelle wie das Journalistenstück veröffentlicht.

Beides erhöht die Motivation der User, sich aktiv an einem Thema zu beteiligen. Außerdem kann der Online-Redakteur auf die Kommentare eingehen und seine eigene Geschichte daraufhin korrigieren oder ergänzen. Die Folge: Der User wird so zum Co-Autor des Journalisten. Und das nicht nur mit Textbeiträgen. Fotos und Videos kommen hinzu.

So können Geschichten entstehen, die ohne User-Beteiligung gar nicht möglich wären. Etwa wenn User ihre Eindrücke von einer Demonstration schicken. Oder weil der Recherche-Aufwand für einen einzelnen Journalisten zu groß wäre. Dann kann der Journalist seine User um Hilfe bitten. Um zum Beispiel herauszufinden, welche Kneipen in einer Großstadt eine extra Raucherzimmer haben, wären unzählige Anrufe nötig. Ruft man die User auf, eine kurze Info zu ihrer Stammkneipe zu schicken, sind die Infos schnell zusammengetragen.

Ausblick:
Die Trennung von Journalist und User wird tendenziell verwischen. Weil die User nicht nur Leser, sondern eben auch selbst Publizisten sind. Sei es mit Bildern, Texten oder Videos in ihrer Community, sei es mit einem eigenen Blog, oder über die Kommentarfunktionen von Nachrichtenportalen. Damit tragen User selbst zur Entstehung von Nachrichten bei - Crowdsourcing (hier gibt's einen Artikel zu dem Thema) wird diese Tendenz in den USA genannt. Das birgt aber auch die Gefahr der Manipulation. Wo Nachrichten ungeprüft in Umlauf gelangen, schwindet am Ende auch die Glaubwürdigkeit der Nachricht selbst.


These 6
Fernsehen, Radio und Zeitung verschmelzen zu einem einzigen Medium

Im Internet können Texte gelesen, Fotos betrachtet, Videos gesendet, Töne gehört werden. Bisher unterschiedliche Medienformate (Fernsehen, Radio, Print) treffen im Internet aufeinander und bieten dort ihre Inhalte an, die frühere Trennung löst sich auf: Das ZDF zeigt seine Inhalte im Internet genauso, wie die alteingesessene Frankfurter Allgemeine Zeitung.

Ausblick:
Das Zusammentreffen verschiedener Medienformate im Internet verstärkt den Konkurrenzkampf um die Aufmerksamkeit der User. Außerdem wird, was im ersten Augenblick paradox klingt, die Angebote sich anpassen, indem sie vielfältiger werden. Ein ehemals textlastiges Medium wird verstärkt auf multimediale Elemente setzen, während etwa Radioprogramme stärker das geschriebene Wort in ihrem Online-Auftritt einbinden.


These 7:
Der Inhalt bestimmt das Format

Heute arbeiten Online-Redaktionen bisweilen noch als Anhängsel der Kernredaktion, bei der Zeitung der Printredaktion. Die liefern die Inhalte, in der Regel Texte, die Online-Redaktionen sorgen für eine Übertragung ins Internet. Dabei bietet das Internet eine breite Palette an journalistischen Darstellungsformen. Bewegbild, Ton, Text, Grafik. Jeder Inhalt kann so mit dem passenden Format aufbereitet werden. Die Filmkritik wird mit Ausschnitten des betreffenden Films garniert; die Flugzeugkatastrophe mit einer anschaulichen Grafik zum Hergang des Unfallgeschehens dargestellt.

Ausblick:
Gerade Nachrichtenportale werden in Zukunft stärker die Vielfalt des Internet nutzen. Die Medienredaktionen werden dafür (möglicherweise zu Lasten der Textredaktionen) ausgebaut werden. Bevor man sich einem Thema widmet, wird man sich fragen: In welchem Format soll die Geschichte erzählt werden? Das wird Nachrichten interessanter, weil abwechslungsreicher machen.


These 8:
Zeitung und Zeitschriften werden eine Renaissance erleben

Was kann bedrucktes Papier, was andere Medienformate nicht können? Es ist zum Beispiel geduldig. Es fällt zu Boden, es wird geknickt, es liegt lange in der Sonne - der Inhalt ist dennoch zu erschließen. Papier ist unempfindlich. Und geht es kaputt, ist es meist kein Drama, weil ein Zeitungsexemplar ersetzbar und nicht teuer ist. Das ist nur ein Vorteil von Print. Ein weiterer: Im Gegensatz zum Internet ist der Gestaltung der Seiten kaum Grenzen gesetzt. Kurzfristige Änderungen, Ausbrüche aus der Konvention sind einfach möglich.

Ausblick:
Die Zeitung und Zeitschriften der Zukunft werden ihre Vorteile gegenüber anderen Medien ausspielen. Auf die Präsentation der Themen wird stärker Wert gelegt werden, die Darbietung wird hochwertig aufgemacht und abwechslungsreich gestaltet sein. Die Inhalte selbst werden hintergründig, reflektiert, häufig kommentierend sein, alles was beim schnellen Medium Internet bisweilen auf der Strecke bleibt.


These 9:
Auch das Internet wird sich neu erfinden

Bis vor kurzem hatte das Internet einen festen Platz. Es stand auf dem Bürotisch oder zu Hause in der Ecke, dort wo man seine Rechnungen aufbewahrt und einmal die Woche abarbeitet. Das Internet war an einen festen Ort gebunden, nämlich dort wo der Desktop-Computer stand. Und die Bildschirme hatten alle mehr oder weniger das gleiche Format. Mit den Laptops wurde zunächst das Internet mobil, die Bildschirm-Größen blieben gleich. Jetzt, wo das Internet auch aufs Handy wandert, muss das Internet erstmals auf unterschiedlichen Ausgabe-Formaten funktionieren. Was vorher auf 30 Zentimetern Platz hatte, soll nun auch auf 7 Zentimeter Breite gut ausehen. Und das Format schrumpft nicht nur, es wächst auch. Denn auch auf dem Großbild-Fernseher im Wohnzimmer wird mittlerweile ebenfalls im Internet gesurft.

Ausblick:
Die Vielzahl der Ausgabeformate wird zunehmen. Schon bisher fließt der gleiche Inhalte (zum Beispiel ein Kommetar zu einem politischen Thema) in mehrere Kanäle (der Kommentar erscheint am nächsten Tag in der Zeitung und auf der Webseite). In Zukunft wird es selbstverständlich sein, dass der Inhalt im Internet selbst an verschiedenen Stellen abrufbar ist; etwa mittels eines kleinen Programms auf dem Handy, wie es sie mittlerweile breits etwa für Blackberrys und das iPhone von Apple gibt.

Vertiefender Text:
Eine Frage der Größe - Weil mobiles Surfen zur Selbstverständlichkeit wird, stehen die Webseitenbetreiber vor neuen Herausforderungen


These 10:

Das Tempo der Veränderung wird weiter zunehmen

50 Jahre lang lebten Fernsehen, Radio und Zeitung in friedlicher Koexistenz. Doch mit Aufkommen des Internets als Massenmedium zur Jahrtausendwende ist dieses Nebeneinander Geschichte. Und vermutlich wird sich der Wandel beschleunigen. Wissen vermehrt sich expoential, die Innovations- Produktlebenszyklen werden in allen Branchen kürzer. Es gibt keinen Grund, warum dieser Trend an der Medienbranche vorbeigehen sollte.

Ausblick:
Medien werden verstärkt in die Weiterentwicklung ihrer "Produkte" investieren. Wer die besten Ideen hat, gewinnt; sowohl was die Inhalte, die Präsentation und Vermarktung betrifft. Für Journalisten wie für Leser und User eine interessante Entwicklung.

Der Fachbuch-Autor und Journalist Mark Briggs schreibt in seinem Buch "Journalism 2.0" über den amerikanischen Markt: „Es gab nie eine besser Zeit Journalist zu sein als heute. Das klingt vielleicht komisch wenn man bedenkt, wie viele Zeitungs-Journalisten seit dem Jahre 2000 ihren Job verloren haben, aber noch nie hat es so mächtige Wege gegeben, Geschichten zu erzählen und den Leser mit Informationen zu versorgen. Wer den Journalismus liebt, der liebt die Vielfalt der Möglichkeiten, die gestiegene Interaktion mit dem Publikum und das fast komplette Verschwinden der Beschränkung von Raum und Zeit.“

Donnerstag, 18. Dezember 2008

Klick dich glücklich!

Per Internet zu spenden erfreut sich zunehmender Beliebtheit – Unterstützung findet, was gefällt

Wikipedia hat die vier Millionen fast voll. Auf der Startseite wirbt das Online-Lexikon seit einigen Wochen um Spenden. Bis zum Mittwoch kamen 3.766.551 Dollar zusammen. Am Ende der Spendenaktion sollen es sechs Millionen sein. Das Geld wird für den Betrieb und die Verwaltung von Wikipedia benötigt.

Einmal im Jahr bitten die Macher der freien Enzyklopädie um Geld. Und jedes Jahr folgen mehr Menschen dieser Bitte. "Der Anteil, der über das Internet geleisteten Spenden, ist noch gering, wächst aber stetig", sagt das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen, kurz DZI. Das vergibt das so genannte Spendensiegel, ein Gütezeichen, welches gemeinnützigen Organisationen verliehen wird, die mit anvertrauten Spenden seriös umgehen.

Vor allem für kleine Organisationen bietet das Internet neue Chancen. "Auf Grund des geringen finanziellen Aufwands ist die Hürde zu einem Auftritt im Internet auch für kleinere Hilfswerke niedrig", so das DZI. Doch die größere Veränderung spielt sich auf der anderen Seite ab: beim Spender. Denn das Internet ermöglicht eine Form der Unterstützung, die nur auf den ersten Blick wenig bringt: Micro-Spenden, also das Geben von Kleinstbeträgen. 50 Cent, ein oder zwei Euro; Geldbeträge, die keinem weh tun. Geben aber viele wenig, bekommt der Spendenbitter am Ende eben doch viel. Die Summe macht's. Und die wächst auch deswegen, weil die Bereitschaft grundsätzlich zunimmt, Geldtransaktionen im Internet abzuwickeln.

Mittlerweile gibt es im Internet Anbieter, die sich nur um das Einsammeln und Verteilen von Spenden kümmern. Tipit.to ist ein solcher. Drei dänische Stundenten haben die Website programmiert. Dort kann jeder an jeden spenden. Man muss sich lediglich registrieren. Schon ab 50 Cent ist man bei Tipit.to als Spender willkommen.

Auch das Community-Portal Facebook bietet die Möglichkeit, Geld zu sammeln - und zu geben. Jeder kann das tun. Man muss dort lediglich einen so genannten „Cause“ (gute Sache) eintragen. Und das wird auch reichlich getan. Für die Erhaltung von Kunstprojekten, die Finanzierung politischer Kampagnen oder die Unterstützung von Forschungsprojekten. Allein in der Rubrik "Umwelt" werben über 8000 Gruppen für ihr Anliegen. Nicht alle ernsthaft, dennoch nicht ohne Erfolg. Selbst die Kampagne "Save water, drink beer" hat es auf 45 US-Dollar gebracht.

Lässt man den Witz beiseite, zeigen die Beispiele: Im Internet wird nicht nur für die großen Weltprobleme wie Hunger oder Klimakatastrophen gespendet. Unterstützt wird, was man selbst für gut findet: Die Musikband, die ohne Spritgeld nicht zum nächsten Auftrittsort kommen würde; ein aufrüttelnder Artikel, der von einem investigativen Journalisten geschrieben wird; ein Kunstvideo, das auf Youtube zu sehen ist. Durch die geringen Summen und die einfache Bezahlweise kann im Internet jeder zum Mäzen werden, zumindest zum Mäzenchen. Die nächste Unterstützung ist nur einen Klick entfernt. Selbst wer sein Geld an der Börse angelegt hat, wird in die Lage gebracht, damit noch ein gutes Werk zu vollbringen. Zumindest bei Wikipedia. Denn beim Onlinelexikon kann man nicht nur Geld spenden, sondern auch Aktien. Die Depotnummer lautet: FER137812.

Dienstag, 9. Dezember 2008

Mein Freund der Laptop

Immer mehr Menschen vereinsamen in der modernen Gesellschaft, so lautet eine gängige These - Sie ist schlicht falsch

Es sind die Zahlen, die der These Nahrung geben: 1950 lebten in Deutschland nur drei Millionen Menschen alleine, heute sind es 15 Millionen. Es sind die zahllosen Geschichten von der Vereinsamung in der Großstadt, welche die Überzeugung stützt. Es ist der Augenschein von den vielen Menschen, die alleine mit ihrem Laptop in der Kneipe sitzen, welche die Hypothese untermauert. Die lautet: Der Wohlstandsmensch von heute lebt in der ständigen Gefahr der Isolation. Wo früher die Großfamilie, das Dorf, der Verein Unterstützung bot, da offeriert die anonyme Konsumgesellschaft nur haltlosen materiellen Ersatz. Erkaufte Gemeinsamkeit, statt emotionalem Rückhalt.

Sind die sozialen Netzwerke heute wirklich brüchiger geworden? Und welchen Einfluss hat der Computer? Genauer gesagt, die Vernetzung von Computern. Fördert sie die Vereinsamungen, weil die Menschen einzeln vor Maschinen sitzen? Oder stärkt sie den Zusammenhalt, weil die Computer und damit die Menschen per Internet untereinander verbunden sind?

Zunächst: Der Mensch neigt zur Verklärung der Vergangenheit. Die Idylle der Großfamilie hat es, von Ausnahmen abgesehen, nie gegeben. Alleine schon deshalb, weil es die Großfamilie selten gab. Noch 1900 lag die Lebenserwartung in Deutschland bei 45 Jahren. Ein entzündeter Blinddarm, eine Geburt mit Komplikationen, ein schweres Fieber - schon hatte die Familie ein Mitglied weniger. Nur selten lebten wirklich drei komplette Generationen einer Familie unter einem Dach.

Oder die Mär von der flächendeckenden Einsamkeit in der Großstadt: Nicht wer in der Großstadt lebt, ist einsam, sondern wer in die Großstadt zieht. Die Literatur ist voll von diesen Geschichten. Es sind aber meist Geschichten von Menschen, die neu in der Stadt ankommen. Oder es sind Geschichten von einsamen Menschen, die in der Großstadt ihre Vorstellung von Einsamkeit finden. Die Forschung zeigt, dass die Menschen in der Stadt bessere Netzwerke haben als auf dem Land. Weil das Angebot größer ist. Man findet eher Gleichgesinnte. Oft auch Gleichgültige, was nicht immer das schlechteste ist.

Aber was ist mit der hohen Zahl von Single-Haushalten? Sie sind Ausdruck des Wohlstands! Man kann es sich leisten alleine zu leben. Und wer alleine lebt, ist keineswegs zwingend Single: Mehr als ein Drittel der Single-Haushalte-Bewohner sind in einer festen Beziehung.

Und auch wer aus dem Elternhaus auszieht, ist keineswegs aus der Welt. Aus dem Mehr-Generationen-Haus von früher ist die Mehr-Generationen-Region geworden: Nur fünf Prozent der Kinder und Kindeskinder leben weiter als zwei Autostunden von ihren Eltern und Großeltern entfernt.

Wer räumliche Entfernung nicht überbrücken kann, der schafft sich Nähe per Computer. Kinder chatten mit ihren Eltern, mit ihren Freunden - auch vom Cafe aus. Der vermeintlich einsame Kneipenbesucher, der sich hinter dem Bildschirm seines Laptops zu verstecken scheint, kommuniziert gerade mit seinem Kumpel am anderen Ende der Welt - oder auch nur am anderen Ende der Straße, um die Uhrzeit für den abendlichen Kinobesuch zu vereinbaren. Richtig ist zwar, dass sich Einsame gerne an den Computer setzen. Falsch ist, dass der Computer einsam macht. Unter dieser Vertauschung der Kausal-Kette hat schon der Ruf des Fernsehens leiden müssen.

Und es ist auch keineswegs so, dass Online-Bekanntschaften reale Freundschaften ersetzen. Vielmehr geht das eine mit dem anderen Hand in Hand. Die Medienforscher Nicole Ellison, Charles Steinfield und Cliff Lampe haben an den Studierenden der Universität Michigan eine Untersuchung durchgeführt. Erstes Ergebnis: 94 Prozent nutzen das Netzwerkportal Facebook. Zweitens: Je mehr Kontakte ein Studierender auf Facebook hatte, desto mehr waren es auch im wirklichen Leben.

In einer anderen Studie kommen Patti Valkenburg, Jochen Peter und Alexander Schouten von der Universtität Amsterdam zu dem Schluss, dass für Jugendliche das Erstellen von Onlineprofilen wichtig für ihre Selbstdarstellung und damit ihr Selbstwertgefühl ist. Insbesondere die Seite MySpace erlaubt es ihren Usern Profilseiten mit Farben, Formen, Musik und Bildern zu gestalten. Die meisten Jugendlichen (79 Prozent), so ein Ergebnis der Studie, erhalten für solche Profilseiten positive Rückmeldung.

Allerdings: Die neuen Freiheiten haben auch Nachteile, gewichtige. Viel mehr als früher kann man sich heute seine Freunde selbst wählen. Und man wählt, was man kennt. Weil man sich gerne mit Gleichgesinnten umgibt. Das hat zwei negative Konsequenzen. Zum einen verringert es die Chance der Veränderung. "Die eingegangenen Beziehungen wirken sich kaum auf die Struktur der Persönlichkeit aus", meint Professor Dr. Frieder Lang, vom Institut für Psychogerontologie der Universität Erlangen-Nürnberg. Zum anderen können solche Netzwerke in Krisensituationen brüchig werden. Akademiker sind gerne unter Akademikern, Kampftrinker unter Kampftrinkern, Familienväter und Familienvätern. Wenn aber einer der Gruppe aus seiner Rolle ausbricht, erleben dies die anderen Teilnehmer häufig als Bedrohung. Besonders wenn Krankheiten die Krise auslösen, wenn etwa der Trinkkumpane ins Alkoholdelirium fällt. "Das Phänomen des schrumpfenden Netzwerks in Zeiten der Krise ist gut belegt", schreibt Nikolas Westerhoff, in der Zeitschrift "Psychologie heute". Davon würden die meisten Menschen in der Krise negativ überrascht. Westerhoff: "Die tatsächliche Unterstützung fällt oft niedriger aus als erwartet." Vor allem Menschen mit hohem Selbstbewusstsein überschätzten die Hilfsbereitschaft ihres Netzwerkes.

Welche Hilfe aber ist die beste, wenn ein Mitglied eines Netzwerks in einer Krise steckt? "Vieles deutet darauf hin, dass sich vor allem unsichtbare Unterstützung positiv auswirkt", meint die Psychologin Beate Ditzen von der Universität Zürich. Ein Zuviel an Unterstützung kann dazu führen, dass sich der Helfer überfordert fühlt und der Hilfsbedürftige schuldig. Die anderen sollten da sein und helfen, ohne sich aufzudrängen.

Montag, 8. Dezember 2008

Der Wikipedia-Effekt

Alles Berichterstatter? - Wie die Masse im Internet das Berufsbild des Journalisten verändert

Für die Redaktion des "Cincinnati Enquirer" war die Aufgabe nicht zu bewältigen gewesen. Im Dezember 2006 hatte der dortige Bundesstaat Ohio ein Rauchverbot erlassen. Die Zeitung wollte nun jedem ihrer Lesern mitteilen, ob sich die Kneipe um die Ecke an das Rauchverbot hält oder nicht. Eine gute Idee. Das Problem: In Cinncinnati gab es zu diesem Zeitpunkt exakt 1488 Bars und Restaurants. Für die Zeitungsredakteure war es unmöglich in überschaubarer Zeit alle notwendigen Informationen einzuholen. Also bat man die Leser um Hilfe. Die meldeten sich zahlreich. Vor allem per E-Mail. Die Zeitung sammelte alle Informationen und stellte sie auf ihrer Internet-Seite auf einem Stadtplan (per Google-Map) allen zur Verfügung. Eine Recherche, welche die Redaktion nie alleine geschafft hätte, wurde durch ihre Leser ermöglicht. "Crowdsourcing" heißt in den USA dieser journalistische Trend. Er besteht im Kern darin, dass viele bei der Informationsbeschaffung helfen.

Früher waren die Rollen klar verteilt: Der Journalist begab sich auf die Suche nach Informationen. Hatte er diese gefunden, teilte er sie dem Leser, Hörer, Zuschauer mit. Durch das Internet verwischt die Grenze. Weil der Austausch zwischen Informationsbereitsteller und Informationsaufnehmer viel enger ist. Der Besucher eines Nachrichtenseite im Internet kann sich in der Regel sofort zu einem erschienenen Artikel äußern, per Kommentar. Er kann seine Meinung mitteilen oder einfach nützliche Zusatzinformationen beisteuern. Bei einer Printausgabe dagegen muss erst ein Leserbrief verfasst und verschickt werden. Dann muss der Schreiber noch darauf hoffen, dass sich die Redaktion bei der Auswahl der zu veröffentlichten Leserbriefe für seinen entscheidet. Im Internet gibt es diese Beschränkungen nicht. Die Reaktionen auf journalistische Beiträge erscheinen unmittelbar und in voller Länge. Im Prinzip funktioniert diese Art des Journalismus wie das Online-Lexikon Wikipedia: Weil viele mitarbeiten, ist das Ergebnis am Ende besser, als wenn sich eine kleine Gruppe von Experten darum kümmert.

Das hat Konsequenzen für den Journalismus der Zukunft. "Während es heute üblich ist, die Idee einer Geschichte als Geheimnis zu bewahren, damit die Konkurrenz sie nicht erfährt, ist es bei der Idee des 'verteilten Reporter-Modells' nötig, eine Story in einem möglichst frühen Stadium Online zu stellen", schreibt etwa Mark Briggs in seinem Lehrbuch "Journalism 2.0". Dies, so Briggs weiter, erlaube den Lesern, sich an der Entwicklung einer Story zu beteiligen. Gleichzeitig ist im Online-Journalismus eine saubere Recherche noch wichtiger als bei Print, Radio und Fernsehen. Weil das Blamage-Potential größer ist. Ein Fehler wird von den Usern per Kommentar sofort öffentlich gemacht.

Am radikalsten will diese Idee die Internet-Seite NewAssignment.net umsetzen. Professor Jay Rosen von der New York University hat im Jahre 2006 diese Seite ins Leben gerufen. Dort werden Nachrichten und Geschichten eingestellt und von freiwilligen weiterentwickelt. Rosen erklärt das Konzept so: „NewAssignment sagt: Hier ist eine ziemlich fertige Story. Wir haben viele gute Informationen gesammelt. Pack dein Wissen dazu und mach sie besser. Arbeite mit uns, wenn du Dinge weißt, die uns unbekannt sind.“

Der verstärkte Austausch mit den Lesern, Hörern und Zuschauern ist nicht die einzige Veränderung im Berufsbild des Journalisten. Das Internet fügt auch zusammen, was früher getrennt war. Bewegbilder lieferte das Fernsehen, Texte wurden in der Zeitung gedruckt, das gesprochene Worte sendete das Radio. Im Internet vereinen sich alle drei Medien. Eine für das Internet aufbereitete Story, über die Wahlen in den USA etwa, kann ein Video mit Wahlkampfreden der Kandidaten enthalten, einen geschriebenen Kommentare und ein Audio-Interview mit einem Wahlkampf-Experten.

Das ist die eigentliche Chance des Internets: Dass nicht mehr das Medium darüber entscheidet, in welchem Format ein journalistischer Inhalt übermittelt wird, sondern die Frage im Mittelpunkt steht, welches Format das beste für eine Story ist. Ein Sportereignis will man in bewegten Bildern sehen, die gekonnte Analyse als geschriebenes Wort, ein Thema mit Erklärungsbedarf in einer anschaulichen animierten Grafik. Das Internet macht diese neue Form des Journalismus möglich.

Für den Journalisten heißt dies: Die Anforderungen steigen. Wer früher bei einer Zeitung war, schrieb; wer beim Radio arbeitet, baute Audio-Beiträge; war man beim Fernsehen angestellt, produzierte man Bewegbilder. Weil es diese Trennung im Internet nicht mehr gibt, müssen Journalisten zunehmend zu Generalisten der Formate werden. Nicht alle Journalisten müssen alles herstellen können. Denn guter Journalismus braucht auch in Zukunft die Spezialisierung. Immer wichtiger aber wird das Verständnis darüber, wie eine Story aufbereitet werden soll: mit einem Kamerateam, einem guten Schreiber oder durch einen Grafiker, der sich auf beeindruckende Animationen versteht.

Der Beruf des Journalismus gewinnt dadurch. „Es gab nie eine besser Zeit Journalist zu sein als heute “, sagt Briggs. Das klinge vielleicht komisch, so Briggs weiter, wenn man bedenke, wie viele Zeitungs-Journalisten seit dem Jahre 2000 ihren Job verloren hätten, aber noch nie habe es so mächtige Wege gegeben, Geschichten zu erzählen und den Leser mit Informationen zu versorgen. „Wer den Journalismus liebt, der liebt die Vielfalt der Möglichkeiten, die gestiegene Interaktion mit dem Publikum und das fast komplette Verschwinden der Beschränkung von Raum und Zeit.“

Samstag, 6. Dezember 2008

Meine Top 10

Eine persönliche Hitliste: Die besten Seiten des Jahres 2008

Die Gestaltung der Webseiten wechselt, die Technik schreitet voran, die Inhalte wandeln sich - über den Fortschritt des Internets informiert das Internet selbst. Aber auf welchen Seiten? Das Angebot ist schwer überschaubar. Hier meine persönliche Hitliste jener Webseiten, die ich in diesem Jahr für besonders interessant, hintergründig, merkenswert halte.

Wissen, was schön ist
Welche Webseite hat sich ein neues Outfit verpasst? Was macht ein schönes Logo aus? Welche sind die gruseligsten Internetseiten? Designtagebuch.de ist eigentlich ein Fachblog vor allem für Webdesign. Doch die Inhalte sind auch für Laien verständlich. Wer sich für Gestaltung im Internet interessiert, ist hier richtig.
Videotipp: Ein nachgerade sehr witziges Video über den Entstehungsprozess eines Logos

Papier-Qualität im Netz
Quantität gibt es genug im Internet. Aber an der Qualität mangelt es bisweilen. Die Pendants zur Qualitätszeitung im Printbereich entwickeln sich gerade erst. Ein hoffnungsvoller Ansatz dieser spannenden Entwicklung: carta.info. Carta ist ein Mehrautoren-Blog für Politik, Medien und Ökonomie. Übrigens: Carta leitet sich vom lateinischen Wort für Papier ab.
Lesetipp: "Brauchen wir mehr Staatsunternehmen?"

Deutschlands Top-Blogger
Welche Blogs sind die beliebtesten? Unter deutscheblogcharts.de werden wöchentlich die Top100 der deutschsprachigen Blogs präsentiert. Genauer gesagt basiert das Ranking auf einer Zahl, die angibt, welche deutschsprachigen Blogs wegen ihrer Inhalte besonders oft von anderen Bloggern verlinkt beziehungsweise zitiert werden. Die Nummer eins aktuell: basicthinking.de/blog.
Lesetipp: Einfach mal über das Ranking scrollen und beim ein oder anderen Blog vorbeischauen.

Youtube mit Anspruch
Wem Youtube zu lustig, zu kurzweilig, zu unübersichtlich ist, der sollte mal auf getdocued.net stöbern. Eine kleine, nicht wirklich hübsch gemachte Website. Aber auf ihr werden sehenswerte Dokumentationen und Dokumente der Zeitgeschichte gesammelt.
Videotipp: Die Rede von Barack Obama in der Wahlnacht

Besuch beim Useability-Guru
Wie funktioniert eine Website? Genauer gefragt: Wie sollte sie funktionieren? Wie gestaltet man eine Seite übersichtlich? Wie gibt man dem User Orientierung im Portal? Alle zwei Wochen klärt Useability-Guru Jakob Nielsen auf useit.com über die Geheimnisse guter Websites auf. Allein um sich das Layout seiner Seite anzuschauen, lohnt sich ein Besuch - obwohl von Layout man gar nicht recht sprechen will. Verständlich aber ist die Seite wie keine zweite, useable eben.
Lesetipp: "25 Years in Usability" - Nielsen schaut auf sein Berufsleben zurück

Zeitung im Internet
Weltweit gibt es tausende von Zeitungen. So unterschiedlich wie die Printausgaben, so verschieden sind auch ihre Onlineauftritte. Unter onlinenewspapers.com kann man nach allen suchen.
Stöbertipp: Die New York Times - ein Vorbild für die Zeitungsbranche weltweit.

Hinter den Bildschirm blicken
Kein Thema wird in Blogs ausführlicher behandelt, als das Internet selbst. In vielen Blogs geschieht das auch ziemlich gut. Besonders gut macht es netzwertig.com. Weil dort Neuigkeiten und Trends der Internetwirtschaft nicht nur aufgezeichnet, sondern auch analysiert werden.
Lesetipp: "10 Webdienste aus Europa, die die Musiklandschaft verändern"

Wissen was geht

Weniger hintergründig als netzwertig.com, aber sehr informativ: Golem.de - das wohl umfangreichste deutschsprachige Nachrichtenportal zur Digitalwirtschaft. Was hier nicht steht, hat nicht stattgefunden.
Kein Lesetipp, denn auf Golem bestimmt die Aktualität eines Themas das Interesse daran.

In Bewegung
Immer mehr Menschen filmen, weil filmen immer einfacher und billiger wird. Fast jedes Handy hat mittlerweile eine Aufnahmefunktion. Wer mehr können will, als den Record-Button auf seinem Mobilfunkgerät zu finden, ist auf der Seite slash.cam.de gut aufgehoben.
Lesetipp: "Die Top-6 Anfänger-Fehler beim Videofilmen"

Kontrolle für die Kontrolleure

Bildblog.de zeigt eine Stärke des Internets: die Aufklärung. Stefan Niggemeier und Christoph Schultheis betreiben den Blog seit 2004. Und mit Hilfe der Hinweise vieler Leser decken sie auf, was die Bildzeitung Tag für Tag so treibt, was sie unter dem Deckmantel des Journalismus alles in die Welt setzt, an Halbwahrheiten und mehr. Sie kontrollieren quasi die Kontrolleure der Demokratie, die Medien. Bereits im Jahr 2005 haben sie dafür den Grimme Online Award erhalten. Heute ist der Bildblog lesenswerter denn je.
Lesetipp: Die Einlassungen von Bildblog über Bild-Kolumnist Franz Josef Wagner, zum Beispiel hier

Donnerstag, 4. Dezember 2008

Wer geht noch zu H&M?

Vom Volk für's Volk: Wie sich das Internet für Modemacher zum Segen entwickelt

Es klingt nach Klischee, aber die Statistik belegt: Frauen und Mode gehören auch im Internet untrennbar zusammen. Jede zweite Internetnutzerin informiert sich im Web über Mode, während der Anteil in der gesamten Nutzerschaft nur 33 Prozent beträgt. Insgesamt sind das in Deutschland 12,6 Millionen Menschen, doppelt so viel wie vor 4 Jahren.

Die Zahlen stammen aus der Allensbacher Computer- und Technikanalyse 2008. Und die Studie zeigt auch: Das Internet dient längst nicht mehr ausschließlich der Recherche. Von zehn Websuchen zu Kleidung und Schuhen enden sechs mit einem Kauf.

Noch vor einigen Jahren war Versandhandel lediglich mittels dicker Kataloge von Otto, Quelle und Co möglich. Doch die eigentliche Revolution spielt sich nicht beim Verbraucher ab, der statt Papier-Seiten zu blättern, sich jetzt durch Websites klickt. Der Versandhandel per Internet verändert vor allem die Unternehmerseite. Denn mittlerweile kann jeder Kreative zum Unternehmer werden. Neben den allgemeinen Handelsplätzen wie Ebay bilden sich spezielle Anbieter für Mode heraus. Länger als 30 Minuten braucht es nicht, um auf diesen Seiten sein eigenes Angebot einzustellen und anzupreisen.

Etsy aus den USA ist eine solche erfolgreiche Plattform. Nur Selbstgemachtes darf dort verkauft werden. Im vergangenen Monat wurden dort 4,2 Millionen Dollar umgesetzt. Für 2009 plant Etsy mit einem Jahresumsatz über 100 Millionen Dollar. Das ist mehr als bei Ebay mit solchen Produkten gehandelt wird.

In Deutschland gibt es ähnliche Angebote, zum Beispiel Dawanda. 25 000 Kreative bieten nach eigenen Angaben dort mittlerweile ihre Waren an, 150 000 Kunden sollen registriert sein. Zu sehen gibt es dort viele Unikate, von Filzpuschen und Schlafbrillen über Kinderkleidung, Handtaschen bis zu Püppchen aus Amigurumi, einer japanischen Häkeltechnik.

Für Künstler und Handwerker sind die Plattformen ein Segen, in mehrfacher Sicht. Sie sparen sich den Aufwand einen eigene Laden (real oder im Internet) zu betreiben. Sie haben praktisch keinen Marketing-Aufwand, weil die Portale selbst für die Aufmerksamkeit sorgen. Und die Werbung für die jeweiligen Produkte erledigen die User selbst, denn auf den Portalen können sie ihre Bewertungen hinterlassen und anderen zukommen lassen. Qualität und gute Ideen bekommen so positive Resonanz.

Die Portale beleben also das Geschäft, weil sie ökonomisch gesagt, die Hürden für den Markteintritt senken. Neue (vor allem kleine) Unternehmen fordern die alten (vor allem große) Firmen heraus. "Es geht nicht darum, dass Basteln wichtiger wird. Es geht darum, dass der Einzelne in eine direkte Konkurrenz mit dem Konzern treten und sich mit besseren Produkten auf dem Markt durchsetzen kann", hat Holm Friebe jüngst auf der Frankfurter Buchmesse gesagt, wo er sein Buch "Marke Eigenbau" präsentiert. Friebe vertritt darin die These, dass der bisherige "Konzernkapitalismus" durch eine Wirtschaftsform abgelöst werden könne, bei der Kleinunternehmer ihre Produkte Verbraucher anbieten, die ein Bedürfnis nach Ökologie und fairem Handel haben. Das Internet jedenfalls macht solche Wirtschaftsbeziehungen einfacher.

Die Modebranche ist dabei besonders geeignet für diese, von Friebe beschriebene, kleinteilige Wirtschaftsform. Denn Kleidung dient vor allem im Westen der Hervorhebung der Individualität. Massenprodukte taugen dafür nicht. Das Ende der Massenproduktion wird dies freilich nicht bedeuten. Denn erstens senkt die Massenfertigung Kosten. Zweitens hat Kleidung auch noch eine weitere, gegensätzliche Funktion: Keidung macht den Menschen auch zum Teil der Gesellschaft. Kleidung zeigt Anpassung. Das beste Beispiel ist der Herren-Anzug. Wer in trägt, zeigt Konformität.

Kleidung taugt also auch zur Massenfertigung. Ware von der Stange wird es deshalb weiter geben. Versandhändlern wie Otto braucht deshalb nicht bange sein. Zumal ihr Angebot längst auch im Internet zu kaufen ist - selbst die Bewertung durch den Kunden gehört bei Otto mittlerweile zum Standard.