Freitag, 19. Dezember 2008

Where do we go? 10 Thesen zur Zukunft des Journalismus

These 1:
Der Journalismus muss und wird ein neues Geschäftsmodell finden

Womit verdienen Journalisten ihr Einkommen? Mit guten Geschichten, durch exklusive Nachrichten. Ja, aber ganz konkret? Woher fließt das Geld? In der Print-Branche gibt es bisher zwei Einnahmequellen: der Verkauf von Zeitungen und Zeitschriften sowie durch Einahmen der Werbeanzeigen, die in den Publikationen geschaltet werden.

Im Internet funktioniert das Prinzip der „doppelten Einnahme“ aktuell aber nicht. Die Bereitschaft der User, für Inhalt zu zahlen, beschränkt sich auf wenige exklusive Bereiche wie Börseninformationen oder Testberichte. Bleibt als einzige Erlösquelle die Werbung. Zwar wachsen die Ausgaben für Werbung im Internet stetig: Für 2008 werden in Deutschland 3,6 Milliarden Euro erwartet – ein Zuwachs von immerhin über 25 Prozent gegenüber 2007; der Marktanteil des Onlinebereichs im gesamten Medienmix erreicht in diesem Jahr damit bereits 13,5 Prozent (2005 waren es noch 4,4). Doch die Verlage streichen nur ein Teil des Geldes ein. Fast die Hälfte der diesjährigen Werbeausgaben werden allein für die Suchwortvermarktung ausgegeben (1,5 Milliarden Euro), also um etwa bei Google-Suchtrefferseiten in der rechten Spalte mit kleinen Textanzeigen aufzutauchen.

Das Internet scheint die alte Verbindung von Werbung und journalistischen Inhalten zum Teil aufgehoben zu haben. Weil der User im Internet häufig Sucher statt Leser ist. Wer einen MP3-Player verkaufen will, tut gut daran, dem User mit seinem Angebot dann unter die Augen zu kommen, wenn er eben gerade auf der Suche nach dem Musikspieler ist und nicht, wenn er einen Artikel über die Steuerreformpläne der Bundesregierung liest.

Ausblick:
Der Journalismus wird der Werbung hinterher ziehen. Klassische journalistische Darstellungsformen ergänzen sich um bisher unbekannte Formate, etwa journalistische Inhalte auf dem Mobiltelefon. Ein Beispiel: Wenn etwa ein Handy-Programm Touristen den Weg zu den Attraktionen der Stadt weist, dann werden auf dem Handy-Display Hotels und Gaststätten werben wollen. Zusätzlich können journalistische Texte, Bilder und Videos über die Geschichte der Stadt und aktuelle lokale Nachrichten das Angebot aufwerten.

Neben neuen Formen wird auch klassische Qualitätsjournalismus bestehen bleiben. Reichen Werbeeinnahmen nicht aus, um ihn zu bezahlen, wird die Bereitschaft zunehmen, für hochwertige Inhalte auch im Internet wieder Geld auszugeben. Warum? Gegenfrage: Warum nicht? Wieso sollte es keine Bereitschaft geben, für gute Inhalte zu bezahlen? Man kauft Autos, man kauft Bücher, man wird auch gut recherchierte Inhalte kaufen. Spätestens wenn der Mangel sichtbar wird. Gut möglich auch, dass sich dabei neue Formen der Finanzierung finden, Spenden zum Beispiel; damit finanziert sich etwa das Wissensportal „Wikipedia“.


These 2:
Das Medienangebot wächst rasant - und mit ihm die Konkurrenz

Nie war es einfacher, Nachrichten zu verbreiten, seine Meinung zu sagen. Die Kosten für die Verbreitung von Information über das Internet gehen gegen Null. Es brauchen keine Räume angemietet, keine Druckaufträge erteilt werden. Nicht mal um Werbeanzeigen muss sich aufwändig gekümmert werden. In 30 Minuten ist ein Blog eingerichtet, wenig später können Werbeanzeigen etwa von Google eingebunden werden.

Ausblick:
Im Internet werden neue Medienmarken entstehen, die mit guten Ideen und Inhalten den Etablierten Konkurrenz machen. Zudem wird es unter den Internetportalen zur Spezialisierung kommen. Die Abdeckung aller Themengebiete durch eine Redaktion wird es immer seltener geben, weil das Hintergrundwissen eines Experten nur einen Mausklick entfernt ist. Das Motto wird lauten: Do what you can do best, and link the rest!


These 3:
Die Qualität des Journalismus wird nicht ab-, sondern zunehmen

Wo der Kunde die Wahl hat, kümmern sich die Anbieter verstärkt um ihn. Der Kunde will umgarnt, überzeugt, gehalten werden. Konkurrenz belebt das Geschäft also. Diese Regel der Marktwirtschaft gilt auch für Medien. Der zunehmende Konkurrenz zwischen den Medien (siehe These 2) wird die Publizierer stärker als bisher an für Leser und User interessanten Publikationen arbeiten lassen. Sie müssen sich also mehr anstrengen. Allerdings stehen diesem Trend die Probleme der Finanzierung (These 1) gegenüber. Wo weniger Geld zu verdienen ist, sinkt die Qualität. Welcher Effekt wird stärker sein?

Ausblick:
Die größere Konkurrenz dank einfachem Publizieren wird ein dauerhaftes Merkmal der neuen Medienbranche bleiben. Dagegen sind die Probleme der Finanzierung der Medienbranchen ein aktuelles Umbruchphänomen, ausgelöst durch das Internet. Denn grundsätzlich spricht nichts gegen ein Finanzierungskonzept, das interessanten Inhalten Werbung zur Seite stellt. Denn Werbung möchte dort sichtbar sein, wo die Menschen ihre Aufmerksamkeit hin richten. Und es spricht ebenfalls nichts gegen eine Zahlungsbereitschaft für journalistische Inhalte. Deshalb stehen die Chancen gut, dass das Umbruchphänomen ein zeitlich begrenztes bleibt und somit auf lange Frist journalistische Angebote noch besser werden.


These 4:
Nachricht goes Community - und umgekehrt

Facebook, StudiVZ, Youtube und Twitter stehen für Erfolg im Internet. Nicht jedes Angebot steht wirtschaftlich in der Gewinnzone, aber allen ist gemein: Sie haben Millionen Mitglieder, die sich deswegen auf den Webseiten bewegen, weil sie sich dort austauschen, präsentieren, mitteilen können. Es ist die neue Form des ehemaligen Markplatz: Man trifft sich, schaut sich um, will gesehen werden, sich informieren, tratschen. Die Nachricht (und damit das Kerngeschäft des Journalisten) ist hier bestens aufgehoben.

Ausblick:
Nachrichtenportale werden verstärkt drei Strategien verfolgen:
1) Aufbau einer eigenen Community. Zentraler Bestandteil einer funktionieren Community ist dabei der Aktivity-Feed. Darunter versteht man das Aufzeichnen und Wiedergeben von User-Aktivitäten im Internet. User werden so stetig darüber informiert werden, was ihre Freunde tun. Die New York Times hat dies als erstes Nachrichtenportal umgesetzt. Ob ein Kommentar geschrieben, ein Beitrag empfohlen, ein Video weitergeleitet wird, immer erfahren es die Freunde unmittelbar. Am oberen Ende des Browserfenster wird auf jeder Seite der Aktivity-Feed angezeigt.

2) Nachrichtenportale begeben sich dorthin, wo die Community bereits ist. Sie twittern (zum Beispiel wie Der Westen) oder verteilen ihre Nachrichten bei Facebook (zum Beispiel zoomer.de)

Idealerweise verbinden sich die Communitys von Nachrichtenportalen und bestehenden Communitys. Auch hier ist die New York Times ein positives Beispiel: Installiert man auf Facebook die Anwendung "Times People" werden die eigenen Aktivitäten auf www.nyt.com in eigenen Facebook-Profil angezeigt. Ein empfohlener New-York-Times-Artikel wird somit automatisch allen Facebook-Freunden angezeigt.

3) Nachrichtenportale binden bestehende Communitys in die eigene Seite ein. Mit der Facebook-Anwendung "Connect" gibt es beispielsweise seit wenigen Tagen die Möglichkeit, Facebook-Funktionalitäten auf anderen Seite zu integrieren. So kann sich der User beispielsweise auf einer Nachirchten-Seite mit seinem Facebook-Profil anmelden um etwa die Kommentarfunktion und andere Funktionalitäten der Seite zu nutzen.


These 5:
Der User wird zum Co-Autor

Was in der Zeitung der Leserbrief, ist im Internet der User-Kommentar. Beide setzen sich in der Regel kritisch mit der Arbeit des Journalisten auseinander. Der Unterschied: Ein Kommentar im Internet ist schnell geschrieben und wird in der Regel an der gleichen Stelle wie das Journalistenstück veröffentlicht.

Beides erhöht die Motivation der User, sich aktiv an einem Thema zu beteiligen. Außerdem kann der Online-Redakteur auf die Kommentare eingehen und seine eigene Geschichte daraufhin korrigieren oder ergänzen. Die Folge: Der User wird so zum Co-Autor des Journalisten. Und das nicht nur mit Textbeiträgen. Fotos und Videos kommen hinzu.

So können Geschichten entstehen, die ohne User-Beteiligung gar nicht möglich wären. Etwa wenn User ihre Eindrücke von einer Demonstration schicken. Oder weil der Recherche-Aufwand für einen einzelnen Journalisten zu groß wäre. Dann kann der Journalist seine User um Hilfe bitten. Um zum Beispiel herauszufinden, welche Kneipen in einer Großstadt eine extra Raucherzimmer haben, wären unzählige Anrufe nötig. Ruft man die User auf, eine kurze Info zu ihrer Stammkneipe zu schicken, sind die Infos schnell zusammengetragen.

Ausblick:
Die Trennung von Journalist und User wird tendenziell verwischen. Weil die User nicht nur Leser, sondern eben auch selbst Publizisten sind. Sei es mit Bildern, Texten oder Videos in ihrer Community, sei es mit einem eigenen Blog, oder über die Kommentarfunktionen von Nachrichtenportalen. Damit tragen User selbst zur Entstehung von Nachrichten bei - Crowdsourcing (hier gibt's einen Artikel zu dem Thema) wird diese Tendenz in den USA genannt. Das birgt aber auch die Gefahr der Manipulation. Wo Nachrichten ungeprüft in Umlauf gelangen, schwindet am Ende auch die Glaubwürdigkeit der Nachricht selbst.


These 6
Fernsehen, Radio und Zeitung verschmelzen zu einem einzigen Medium

Im Internet können Texte gelesen, Fotos betrachtet, Videos gesendet, Töne gehört werden. Bisher unterschiedliche Medienformate (Fernsehen, Radio, Print) treffen im Internet aufeinander und bieten dort ihre Inhalte an, die frühere Trennung löst sich auf: Das ZDF zeigt seine Inhalte im Internet genauso, wie die alteingesessene Frankfurter Allgemeine Zeitung.

Ausblick:
Das Zusammentreffen verschiedener Medienformate im Internet verstärkt den Konkurrenzkampf um die Aufmerksamkeit der User. Außerdem wird, was im ersten Augenblick paradox klingt, die Angebote sich anpassen, indem sie vielfältiger werden. Ein ehemals textlastiges Medium wird verstärkt auf multimediale Elemente setzen, während etwa Radioprogramme stärker das geschriebene Wort in ihrem Online-Auftritt einbinden.


These 7:
Der Inhalt bestimmt das Format

Heute arbeiten Online-Redaktionen bisweilen noch als Anhängsel der Kernredaktion, bei der Zeitung der Printredaktion. Die liefern die Inhalte, in der Regel Texte, die Online-Redaktionen sorgen für eine Übertragung ins Internet. Dabei bietet das Internet eine breite Palette an journalistischen Darstellungsformen. Bewegbild, Ton, Text, Grafik. Jeder Inhalt kann so mit dem passenden Format aufbereitet werden. Die Filmkritik wird mit Ausschnitten des betreffenden Films garniert; die Flugzeugkatastrophe mit einer anschaulichen Grafik zum Hergang des Unfallgeschehens dargestellt.

Ausblick:
Gerade Nachrichtenportale werden in Zukunft stärker die Vielfalt des Internet nutzen. Die Medienredaktionen werden dafür (möglicherweise zu Lasten der Textredaktionen) ausgebaut werden. Bevor man sich einem Thema widmet, wird man sich fragen: In welchem Format soll die Geschichte erzählt werden? Das wird Nachrichten interessanter, weil abwechslungsreicher machen.


These 8:
Zeitung und Zeitschriften werden eine Renaissance erleben

Was kann bedrucktes Papier, was andere Medienformate nicht können? Es ist zum Beispiel geduldig. Es fällt zu Boden, es wird geknickt, es liegt lange in der Sonne - der Inhalt ist dennoch zu erschließen. Papier ist unempfindlich. Und geht es kaputt, ist es meist kein Drama, weil ein Zeitungsexemplar ersetzbar und nicht teuer ist. Das ist nur ein Vorteil von Print. Ein weiterer: Im Gegensatz zum Internet ist der Gestaltung der Seiten kaum Grenzen gesetzt. Kurzfristige Änderungen, Ausbrüche aus der Konvention sind einfach möglich.

Ausblick:
Die Zeitung und Zeitschriften der Zukunft werden ihre Vorteile gegenüber anderen Medien ausspielen. Auf die Präsentation der Themen wird stärker Wert gelegt werden, die Darbietung wird hochwertig aufgemacht und abwechslungsreich gestaltet sein. Die Inhalte selbst werden hintergründig, reflektiert, häufig kommentierend sein, alles was beim schnellen Medium Internet bisweilen auf der Strecke bleibt.


These 9:
Auch das Internet wird sich neu erfinden

Bis vor kurzem hatte das Internet einen festen Platz. Es stand auf dem Bürotisch oder zu Hause in der Ecke, dort wo man seine Rechnungen aufbewahrt und einmal die Woche abarbeitet. Das Internet war an einen festen Ort gebunden, nämlich dort wo der Desktop-Computer stand. Und die Bildschirme hatten alle mehr oder weniger das gleiche Format. Mit den Laptops wurde zunächst das Internet mobil, die Bildschirm-Größen blieben gleich. Jetzt, wo das Internet auch aufs Handy wandert, muss das Internet erstmals auf unterschiedlichen Ausgabe-Formaten funktionieren. Was vorher auf 30 Zentimetern Platz hatte, soll nun auch auf 7 Zentimeter Breite gut ausehen. Und das Format schrumpft nicht nur, es wächst auch. Denn auch auf dem Großbild-Fernseher im Wohnzimmer wird mittlerweile ebenfalls im Internet gesurft.

Ausblick:
Die Vielzahl der Ausgabeformate wird zunehmen. Schon bisher fließt der gleiche Inhalte (zum Beispiel ein Kommetar zu einem politischen Thema) in mehrere Kanäle (der Kommentar erscheint am nächsten Tag in der Zeitung und auf der Webseite). In Zukunft wird es selbstverständlich sein, dass der Inhalt im Internet selbst an verschiedenen Stellen abrufbar ist; etwa mittels eines kleinen Programms auf dem Handy, wie es sie mittlerweile breits etwa für Blackberrys und das iPhone von Apple gibt.

Vertiefender Text:
Eine Frage der Größe - Weil mobiles Surfen zur Selbstverständlichkeit wird, stehen die Webseitenbetreiber vor neuen Herausforderungen


These 10:

Das Tempo der Veränderung wird weiter zunehmen

50 Jahre lang lebten Fernsehen, Radio und Zeitung in friedlicher Koexistenz. Doch mit Aufkommen des Internets als Massenmedium zur Jahrtausendwende ist dieses Nebeneinander Geschichte. Und vermutlich wird sich der Wandel beschleunigen. Wissen vermehrt sich expoential, die Innovations- Produktlebenszyklen werden in allen Branchen kürzer. Es gibt keinen Grund, warum dieser Trend an der Medienbranche vorbeigehen sollte.

Ausblick:
Medien werden verstärkt in die Weiterentwicklung ihrer "Produkte" investieren. Wer die besten Ideen hat, gewinnt; sowohl was die Inhalte, die Präsentation und Vermarktung betrifft. Für Journalisten wie für Leser und User eine interessante Entwicklung.

Der Fachbuch-Autor und Journalist Mark Briggs schreibt in seinem Buch "Journalism 2.0" über den amerikanischen Markt: „Es gab nie eine besser Zeit Journalist zu sein als heute. Das klingt vielleicht komisch wenn man bedenkt, wie viele Zeitungs-Journalisten seit dem Jahre 2000 ihren Job verloren haben, aber noch nie hat es so mächtige Wege gegeben, Geschichten zu erzählen und den Leser mit Informationen zu versorgen. Wer den Journalismus liebt, der liebt die Vielfalt der Möglichkeiten, die gestiegene Interaktion mit dem Publikum und das fast komplette Verschwinden der Beschränkung von Raum und Zeit.“

Donnerstag, 18. Dezember 2008

Klick dich glücklich!

Per Internet zu spenden erfreut sich zunehmender Beliebtheit – Unterstützung findet, was gefällt

Wikipedia hat die vier Millionen fast voll. Auf der Startseite wirbt das Online-Lexikon seit einigen Wochen um Spenden. Bis zum Mittwoch kamen 3.766.551 Dollar zusammen. Am Ende der Spendenaktion sollen es sechs Millionen sein. Das Geld wird für den Betrieb und die Verwaltung von Wikipedia benötigt.

Einmal im Jahr bitten die Macher der freien Enzyklopädie um Geld. Und jedes Jahr folgen mehr Menschen dieser Bitte. "Der Anteil, der über das Internet geleisteten Spenden, ist noch gering, wächst aber stetig", sagt das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen, kurz DZI. Das vergibt das so genannte Spendensiegel, ein Gütezeichen, welches gemeinnützigen Organisationen verliehen wird, die mit anvertrauten Spenden seriös umgehen.

Vor allem für kleine Organisationen bietet das Internet neue Chancen. "Auf Grund des geringen finanziellen Aufwands ist die Hürde zu einem Auftritt im Internet auch für kleinere Hilfswerke niedrig", so das DZI. Doch die größere Veränderung spielt sich auf der anderen Seite ab: beim Spender. Denn das Internet ermöglicht eine Form der Unterstützung, die nur auf den ersten Blick wenig bringt: Micro-Spenden, also das Geben von Kleinstbeträgen. 50 Cent, ein oder zwei Euro; Geldbeträge, die keinem weh tun. Geben aber viele wenig, bekommt der Spendenbitter am Ende eben doch viel. Die Summe macht's. Und die wächst auch deswegen, weil die Bereitschaft grundsätzlich zunimmt, Geldtransaktionen im Internet abzuwickeln.

Mittlerweile gibt es im Internet Anbieter, die sich nur um das Einsammeln und Verteilen von Spenden kümmern. Tipit.to ist ein solcher. Drei dänische Stundenten haben die Website programmiert. Dort kann jeder an jeden spenden. Man muss sich lediglich registrieren. Schon ab 50 Cent ist man bei Tipit.to als Spender willkommen.

Auch das Community-Portal Facebook bietet die Möglichkeit, Geld zu sammeln - und zu geben. Jeder kann das tun. Man muss dort lediglich einen so genannten „Cause“ (gute Sache) eintragen. Und das wird auch reichlich getan. Für die Erhaltung von Kunstprojekten, die Finanzierung politischer Kampagnen oder die Unterstützung von Forschungsprojekten. Allein in der Rubrik "Umwelt" werben über 8000 Gruppen für ihr Anliegen. Nicht alle ernsthaft, dennoch nicht ohne Erfolg. Selbst die Kampagne "Save water, drink beer" hat es auf 45 US-Dollar gebracht.

Lässt man den Witz beiseite, zeigen die Beispiele: Im Internet wird nicht nur für die großen Weltprobleme wie Hunger oder Klimakatastrophen gespendet. Unterstützt wird, was man selbst für gut findet: Die Musikband, die ohne Spritgeld nicht zum nächsten Auftrittsort kommen würde; ein aufrüttelnder Artikel, der von einem investigativen Journalisten geschrieben wird; ein Kunstvideo, das auf Youtube zu sehen ist. Durch die geringen Summen und die einfache Bezahlweise kann im Internet jeder zum Mäzen werden, zumindest zum Mäzenchen. Die nächste Unterstützung ist nur einen Klick entfernt. Selbst wer sein Geld an der Börse angelegt hat, wird in die Lage gebracht, damit noch ein gutes Werk zu vollbringen. Zumindest bei Wikipedia. Denn beim Onlinelexikon kann man nicht nur Geld spenden, sondern auch Aktien. Die Depotnummer lautet: FER137812.

Dienstag, 9. Dezember 2008

Mein Freund der Laptop

Immer mehr Menschen vereinsamen in der modernen Gesellschaft, so lautet eine gängige These - Sie ist schlicht falsch

Es sind die Zahlen, die der These Nahrung geben: 1950 lebten in Deutschland nur drei Millionen Menschen alleine, heute sind es 15 Millionen. Es sind die zahllosen Geschichten von der Vereinsamung in der Großstadt, welche die Überzeugung stützt. Es ist der Augenschein von den vielen Menschen, die alleine mit ihrem Laptop in der Kneipe sitzen, welche die Hypothese untermauert. Die lautet: Der Wohlstandsmensch von heute lebt in der ständigen Gefahr der Isolation. Wo früher die Großfamilie, das Dorf, der Verein Unterstützung bot, da offeriert die anonyme Konsumgesellschaft nur haltlosen materiellen Ersatz. Erkaufte Gemeinsamkeit, statt emotionalem Rückhalt.

Sind die sozialen Netzwerke heute wirklich brüchiger geworden? Und welchen Einfluss hat der Computer? Genauer gesagt, die Vernetzung von Computern. Fördert sie die Vereinsamungen, weil die Menschen einzeln vor Maschinen sitzen? Oder stärkt sie den Zusammenhalt, weil die Computer und damit die Menschen per Internet untereinander verbunden sind?

Zunächst: Der Mensch neigt zur Verklärung der Vergangenheit. Die Idylle der Großfamilie hat es, von Ausnahmen abgesehen, nie gegeben. Alleine schon deshalb, weil es die Großfamilie selten gab. Noch 1900 lag die Lebenserwartung in Deutschland bei 45 Jahren. Ein entzündeter Blinddarm, eine Geburt mit Komplikationen, ein schweres Fieber - schon hatte die Familie ein Mitglied weniger. Nur selten lebten wirklich drei komplette Generationen einer Familie unter einem Dach.

Oder die Mär von der flächendeckenden Einsamkeit in der Großstadt: Nicht wer in der Großstadt lebt, ist einsam, sondern wer in die Großstadt zieht. Die Literatur ist voll von diesen Geschichten. Es sind aber meist Geschichten von Menschen, die neu in der Stadt ankommen. Oder es sind Geschichten von einsamen Menschen, die in der Großstadt ihre Vorstellung von Einsamkeit finden. Die Forschung zeigt, dass die Menschen in der Stadt bessere Netzwerke haben als auf dem Land. Weil das Angebot größer ist. Man findet eher Gleichgesinnte. Oft auch Gleichgültige, was nicht immer das schlechteste ist.

Aber was ist mit der hohen Zahl von Single-Haushalten? Sie sind Ausdruck des Wohlstands! Man kann es sich leisten alleine zu leben. Und wer alleine lebt, ist keineswegs zwingend Single: Mehr als ein Drittel der Single-Haushalte-Bewohner sind in einer festen Beziehung.

Und auch wer aus dem Elternhaus auszieht, ist keineswegs aus der Welt. Aus dem Mehr-Generationen-Haus von früher ist die Mehr-Generationen-Region geworden: Nur fünf Prozent der Kinder und Kindeskinder leben weiter als zwei Autostunden von ihren Eltern und Großeltern entfernt.

Wer räumliche Entfernung nicht überbrücken kann, der schafft sich Nähe per Computer. Kinder chatten mit ihren Eltern, mit ihren Freunden - auch vom Cafe aus. Der vermeintlich einsame Kneipenbesucher, der sich hinter dem Bildschirm seines Laptops zu verstecken scheint, kommuniziert gerade mit seinem Kumpel am anderen Ende der Welt - oder auch nur am anderen Ende der Straße, um die Uhrzeit für den abendlichen Kinobesuch zu vereinbaren. Richtig ist zwar, dass sich Einsame gerne an den Computer setzen. Falsch ist, dass der Computer einsam macht. Unter dieser Vertauschung der Kausal-Kette hat schon der Ruf des Fernsehens leiden müssen.

Und es ist auch keineswegs so, dass Online-Bekanntschaften reale Freundschaften ersetzen. Vielmehr geht das eine mit dem anderen Hand in Hand. Die Medienforscher Nicole Ellison, Charles Steinfield und Cliff Lampe haben an den Studierenden der Universität Michigan eine Untersuchung durchgeführt. Erstes Ergebnis: 94 Prozent nutzen das Netzwerkportal Facebook. Zweitens: Je mehr Kontakte ein Studierender auf Facebook hatte, desto mehr waren es auch im wirklichen Leben.

In einer anderen Studie kommen Patti Valkenburg, Jochen Peter und Alexander Schouten von der Universtität Amsterdam zu dem Schluss, dass für Jugendliche das Erstellen von Onlineprofilen wichtig für ihre Selbstdarstellung und damit ihr Selbstwertgefühl ist. Insbesondere die Seite MySpace erlaubt es ihren Usern Profilseiten mit Farben, Formen, Musik und Bildern zu gestalten. Die meisten Jugendlichen (79 Prozent), so ein Ergebnis der Studie, erhalten für solche Profilseiten positive Rückmeldung.

Allerdings: Die neuen Freiheiten haben auch Nachteile, gewichtige. Viel mehr als früher kann man sich heute seine Freunde selbst wählen. Und man wählt, was man kennt. Weil man sich gerne mit Gleichgesinnten umgibt. Das hat zwei negative Konsequenzen. Zum einen verringert es die Chance der Veränderung. "Die eingegangenen Beziehungen wirken sich kaum auf die Struktur der Persönlichkeit aus", meint Professor Dr. Frieder Lang, vom Institut für Psychogerontologie der Universität Erlangen-Nürnberg. Zum anderen können solche Netzwerke in Krisensituationen brüchig werden. Akademiker sind gerne unter Akademikern, Kampftrinker unter Kampftrinkern, Familienväter und Familienvätern. Wenn aber einer der Gruppe aus seiner Rolle ausbricht, erleben dies die anderen Teilnehmer häufig als Bedrohung. Besonders wenn Krankheiten die Krise auslösen, wenn etwa der Trinkkumpane ins Alkoholdelirium fällt. "Das Phänomen des schrumpfenden Netzwerks in Zeiten der Krise ist gut belegt", schreibt Nikolas Westerhoff, in der Zeitschrift "Psychologie heute". Davon würden die meisten Menschen in der Krise negativ überrascht. Westerhoff: "Die tatsächliche Unterstützung fällt oft niedriger aus als erwartet." Vor allem Menschen mit hohem Selbstbewusstsein überschätzten die Hilfsbereitschaft ihres Netzwerkes.

Welche Hilfe aber ist die beste, wenn ein Mitglied eines Netzwerks in einer Krise steckt? "Vieles deutet darauf hin, dass sich vor allem unsichtbare Unterstützung positiv auswirkt", meint die Psychologin Beate Ditzen von der Universität Zürich. Ein Zuviel an Unterstützung kann dazu führen, dass sich der Helfer überfordert fühlt und der Hilfsbedürftige schuldig. Die anderen sollten da sein und helfen, ohne sich aufzudrängen.

Montag, 8. Dezember 2008

Der Wikipedia-Effekt

Alles Berichterstatter? - Wie die Masse im Internet das Berufsbild des Journalisten verändert

Für die Redaktion des "Cincinnati Enquirer" war die Aufgabe nicht zu bewältigen gewesen. Im Dezember 2006 hatte der dortige Bundesstaat Ohio ein Rauchverbot erlassen. Die Zeitung wollte nun jedem ihrer Lesern mitteilen, ob sich die Kneipe um die Ecke an das Rauchverbot hält oder nicht. Eine gute Idee. Das Problem: In Cinncinnati gab es zu diesem Zeitpunkt exakt 1488 Bars und Restaurants. Für die Zeitungsredakteure war es unmöglich in überschaubarer Zeit alle notwendigen Informationen einzuholen. Also bat man die Leser um Hilfe. Die meldeten sich zahlreich. Vor allem per E-Mail. Die Zeitung sammelte alle Informationen und stellte sie auf ihrer Internet-Seite auf einem Stadtplan (per Google-Map) allen zur Verfügung. Eine Recherche, welche die Redaktion nie alleine geschafft hätte, wurde durch ihre Leser ermöglicht. "Crowdsourcing" heißt in den USA dieser journalistische Trend. Er besteht im Kern darin, dass viele bei der Informationsbeschaffung helfen.

Früher waren die Rollen klar verteilt: Der Journalist begab sich auf die Suche nach Informationen. Hatte er diese gefunden, teilte er sie dem Leser, Hörer, Zuschauer mit. Durch das Internet verwischt die Grenze. Weil der Austausch zwischen Informationsbereitsteller und Informationsaufnehmer viel enger ist. Der Besucher eines Nachrichtenseite im Internet kann sich in der Regel sofort zu einem erschienenen Artikel äußern, per Kommentar. Er kann seine Meinung mitteilen oder einfach nützliche Zusatzinformationen beisteuern. Bei einer Printausgabe dagegen muss erst ein Leserbrief verfasst und verschickt werden. Dann muss der Schreiber noch darauf hoffen, dass sich die Redaktion bei der Auswahl der zu veröffentlichten Leserbriefe für seinen entscheidet. Im Internet gibt es diese Beschränkungen nicht. Die Reaktionen auf journalistische Beiträge erscheinen unmittelbar und in voller Länge. Im Prinzip funktioniert diese Art des Journalismus wie das Online-Lexikon Wikipedia: Weil viele mitarbeiten, ist das Ergebnis am Ende besser, als wenn sich eine kleine Gruppe von Experten darum kümmert.

Das hat Konsequenzen für den Journalismus der Zukunft. "Während es heute üblich ist, die Idee einer Geschichte als Geheimnis zu bewahren, damit die Konkurrenz sie nicht erfährt, ist es bei der Idee des 'verteilten Reporter-Modells' nötig, eine Story in einem möglichst frühen Stadium Online zu stellen", schreibt etwa Mark Briggs in seinem Lehrbuch "Journalism 2.0". Dies, so Briggs weiter, erlaube den Lesern, sich an der Entwicklung einer Story zu beteiligen. Gleichzeitig ist im Online-Journalismus eine saubere Recherche noch wichtiger als bei Print, Radio und Fernsehen. Weil das Blamage-Potential größer ist. Ein Fehler wird von den Usern per Kommentar sofort öffentlich gemacht.

Am radikalsten will diese Idee die Internet-Seite NewAssignment.net umsetzen. Professor Jay Rosen von der New York University hat im Jahre 2006 diese Seite ins Leben gerufen. Dort werden Nachrichten und Geschichten eingestellt und von freiwilligen weiterentwickelt. Rosen erklärt das Konzept so: „NewAssignment sagt: Hier ist eine ziemlich fertige Story. Wir haben viele gute Informationen gesammelt. Pack dein Wissen dazu und mach sie besser. Arbeite mit uns, wenn du Dinge weißt, die uns unbekannt sind.“

Der verstärkte Austausch mit den Lesern, Hörern und Zuschauern ist nicht die einzige Veränderung im Berufsbild des Journalisten. Das Internet fügt auch zusammen, was früher getrennt war. Bewegbilder lieferte das Fernsehen, Texte wurden in der Zeitung gedruckt, das gesprochene Worte sendete das Radio. Im Internet vereinen sich alle drei Medien. Eine für das Internet aufbereitete Story, über die Wahlen in den USA etwa, kann ein Video mit Wahlkampfreden der Kandidaten enthalten, einen geschriebenen Kommentare und ein Audio-Interview mit einem Wahlkampf-Experten.

Das ist die eigentliche Chance des Internets: Dass nicht mehr das Medium darüber entscheidet, in welchem Format ein journalistischer Inhalt übermittelt wird, sondern die Frage im Mittelpunkt steht, welches Format das beste für eine Story ist. Ein Sportereignis will man in bewegten Bildern sehen, die gekonnte Analyse als geschriebenes Wort, ein Thema mit Erklärungsbedarf in einer anschaulichen animierten Grafik. Das Internet macht diese neue Form des Journalismus möglich.

Für den Journalisten heißt dies: Die Anforderungen steigen. Wer früher bei einer Zeitung war, schrieb; wer beim Radio arbeitet, baute Audio-Beiträge; war man beim Fernsehen angestellt, produzierte man Bewegbilder. Weil es diese Trennung im Internet nicht mehr gibt, müssen Journalisten zunehmend zu Generalisten der Formate werden. Nicht alle Journalisten müssen alles herstellen können. Denn guter Journalismus braucht auch in Zukunft die Spezialisierung. Immer wichtiger aber wird das Verständnis darüber, wie eine Story aufbereitet werden soll: mit einem Kamerateam, einem guten Schreiber oder durch einen Grafiker, der sich auf beeindruckende Animationen versteht.

Der Beruf des Journalismus gewinnt dadurch. „Es gab nie eine besser Zeit Journalist zu sein als heute “, sagt Briggs. Das klinge vielleicht komisch, so Briggs weiter, wenn man bedenke, wie viele Zeitungs-Journalisten seit dem Jahre 2000 ihren Job verloren hätten, aber noch nie habe es so mächtige Wege gegeben, Geschichten zu erzählen und den Leser mit Informationen zu versorgen. „Wer den Journalismus liebt, der liebt die Vielfalt der Möglichkeiten, die gestiegene Interaktion mit dem Publikum und das fast komplette Verschwinden der Beschränkung von Raum und Zeit.“

Samstag, 6. Dezember 2008

Meine Top 10

Eine persönliche Hitliste: Die besten Seiten des Jahres 2008

Die Gestaltung der Webseiten wechselt, die Technik schreitet voran, die Inhalte wandeln sich - über den Fortschritt des Internets informiert das Internet selbst. Aber auf welchen Seiten? Das Angebot ist schwer überschaubar. Hier meine persönliche Hitliste jener Webseiten, die ich in diesem Jahr für besonders interessant, hintergründig, merkenswert halte.

Wissen, was schön ist
Welche Webseite hat sich ein neues Outfit verpasst? Was macht ein schönes Logo aus? Welche sind die gruseligsten Internetseiten? Designtagebuch.de ist eigentlich ein Fachblog vor allem für Webdesign. Doch die Inhalte sind auch für Laien verständlich. Wer sich für Gestaltung im Internet interessiert, ist hier richtig.
Videotipp: Ein nachgerade sehr witziges Video über den Entstehungsprozess eines Logos

Papier-Qualität im Netz
Quantität gibt es genug im Internet. Aber an der Qualität mangelt es bisweilen. Die Pendants zur Qualitätszeitung im Printbereich entwickeln sich gerade erst. Ein hoffnungsvoller Ansatz dieser spannenden Entwicklung: carta.info. Carta ist ein Mehrautoren-Blog für Politik, Medien und Ökonomie. Übrigens: Carta leitet sich vom lateinischen Wort für Papier ab.
Lesetipp: "Brauchen wir mehr Staatsunternehmen?"

Deutschlands Top-Blogger
Welche Blogs sind die beliebtesten? Unter deutscheblogcharts.de werden wöchentlich die Top100 der deutschsprachigen Blogs präsentiert. Genauer gesagt basiert das Ranking auf einer Zahl, die angibt, welche deutschsprachigen Blogs wegen ihrer Inhalte besonders oft von anderen Bloggern verlinkt beziehungsweise zitiert werden. Die Nummer eins aktuell: basicthinking.de/blog.
Lesetipp: Einfach mal über das Ranking scrollen und beim ein oder anderen Blog vorbeischauen.

Youtube mit Anspruch
Wem Youtube zu lustig, zu kurzweilig, zu unübersichtlich ist, der sollte mal auf getdocued.net stöbern. Eine kleine, nicht wirklich hübsch gemachte Website. Aber auf ihr werden sehenswerte Dokumentationen und Dokumente der Zeitgeschichte gesammelt.
Videotipp: Die Rede von Barack Obama in der Wahlnacht

Besuch beim Useability-Guru
Wie funktioniert eine Website? Genauer gefragt: Wie sollte sie funktionieren? Wie gestaltet man eine Seite übersichtlich? Wie gibt man dem User Orientierung im Portal? Alle zwei Wochen klärt Useability-Guru Jakob Nielsen auf useit.com über die Geheimnisse guter Websites auf. Allein um sich das Layout seiner Seite anzuschauen, lohnt sich ein Besuch - obwohl von Layout man gar nicht recht sprechen will. Verständlich aber ist die Seite wie keine zweite, useable eben.
Lesetipp: "25 Years in Usability" - Nielsen schaut auf sein Berufsleben zurück

Zeitung im Internet
Weltweit gibt es tausende von Zeitungen. So unterschiedlich wie die Printausgaben, so verschieden sind auch ihre Onlineauftritte. Unter onlinenewspapers.com kann man nach allen suchen.
Stöbertipp: Die New York Times - ein Vorbild für die Zeitungsbranche weltweit.

Hinter den Bildschirm blicken
Kein Thema wird in Blogs ausführlicher behandelt, als das Internet selbst. In vielen Blogs geschieht das auch ziemlich gut. Besonders gut macht es netzwertig.com. Weil dort Neuigkeiten und Trends der Internetwirtschaft nicht nur aufgezeichnet, sondern auch analysiert werden.
Lesetipp: "10 Webdienste aus Europa, die die Musiklandschaft verändern"

Wissen was geht

Weniger hintergründig als netzwertig.com, aber sehr informativ: Golem.de - das wohl umfangreichste deutschsprachige Nachrichtenportal zur Digitalwirtschaft. Was hier nicht steht, hat nicht stattgefunden.
Kein Lesetipp, denn auf Golem bestimmt die Aktualität eines Themas das Interesse daran.

In Bewegung
Immer mehr Menschen filmen, weil filmen immer einfacher und billiger wird. Fast jedes Handy hat mittlerweile eine Aufnahmefunktion. Wer mehr können will, als den Record-Button auf seinem Mobilfunkgerät zu finden, ist auf der Seite slash.cam.de gut aufgehoben.
Lesetipp: "Die Top-6 Anfänger-Fehler beim Videofilmen"

Kontrolle für die Kontrolleure

Bildblog.de zeigt eine Stärke des Internets: die Aufklärung. Stefan Niggemeier und Christoph Schultheis betreiben den Blog seit 2004. Und mit Hilfe der Hinweise vieler Leser decken sie auf, was die Bildzeitung Tag für Tag so treibt, was sie unter dem Deckmantel des Journalismus alles in die Welt setzt, an Halbwahrheiten und mehr. Sie kontrollieren quasi die Kontrolleure der Demokratie, die Medien. Bereits im Jahr 2005 haben sie dafür den Grimme Online Award erhalten. Heute ist der Bildblog lesenswerter denn je.
Lesetipp: Die Einlassungen von Bildblog über Bild-Kolumnist Franz Josef Wagner, zum Beispiel hier

Donnerstag, 4. Dezember 2008

Wer geht noch zu H&M?

Vom Volk für's Volk: Wie sich das Internet für Modemacher zum Segen entwickelt

Es klingt nach Klischee, aber die Statistik belegt: Frauen und Mode gehören auch im Internet untrennbar zusammen. Jede zweite Internetnutzerin informiert sich im Web über Mode, während der Anteil in der gesamten Nutzerschaft nur 33 Prozent beträgt. Insgesamt sind das in Deutschland 12,6 Millionen Menschen, doppelt so viel wie vor 4 Jahren.

Die Zahlen stammen aus der Allensbacher Computer- und Technikanalyse 2008. Und die Studie zeigt auch: Das Internet dient längst nicht mehr ausschließlich der Recherche. Von zehn Websuchen zu Kleidung und Schuhen enden sechs mit einem Kauf.

Noch vor einigen Jahren war Versandhandel lediglich mittels dicker Kataloge von Otto, Quelle und Co möglich. Doch die eigentliche Revolution spielt sich nicht beim Verbraucher ab, der statt Papier-Seiten zu blättern, sich jetzt durch Websites klickt. Der Versandhandel per Internet verändert vor allem die Unternehmerseite. Denn mittlerweile kann jeder Kreative zum Unternehmer werden. Neben den allgemeinen Handelsplätzen wie Ebay bilden sich spezielle Anbieter für Mode heraus. Länger als 30 Minuten braucht es nicht, um auf diesen Seiten sein eigenes Angebot einzustellen und anzupreisen.

Etsy aus den USA ist eine solche erfolgreiche Plattform. Nur Selbstgemachtes darf dort verkauft werden. Im vergangenen Monat wurden dort 4,2 Millionen Dollar umgesetzt. Für 2009 plant Etsy mit einem Jahresumsatz über 100 Millionen Dollar. Das ist mehr als bei Ebay mit solchen Produkten gehandelt wird.

In Deutschland gibt es ähnliche Angebote, zum Beispiel Dawanda. 25 000 Kreative bieten nach eigenen Angaben dort mittlerweile ihre Waren an, 150 000 Kunden sollen registriert sein. Zu sehen gibt es dort viele Unikate, von Filzpuschen und Schlafbrillen über Kinderkleidung, Handtaschen bis zu Püppchen aus Amigurumi, einer japanischen Häkeltechnik.

Für Künstler und Handwerker sind die Plattformen ein Segen, in mehrfacher Sicht. Sie sparen sich den Aufwand einen eigene Laden (real oder im Internet) zu betreiben. Sie haben praktisch keinen Marketing-Aufwand, weil die Portale selbst für die Aufmerksamkeit sorgen. Und die Werbung für die jeweiligen Produkte erledigen die User selbst, denn auf den Portalen können sie ihre Bewertungen hinterlassen und anderen zukommen lassen. Qualität und gute Ideen bekommen so positive Resonanz.

Die Portale beleben also das Geschäft, weil sie ökonomisch gesagt, die Hürden für den Markteintritt senken. Neue (vor allem kleine) Unternehmen fordern die alten (vor allem große) Firmen heraus. "Es geht nicht darum, dass Basteln wichtiger wird. Es geht darum, dass der Einzelne in eine direkte Konkurrenz mit dem Konzern treten und sich mit besseren Produkten auf dem Markt durchsetzen kann", hat Holm Friebe jüngst auf der Frankfurter Buchmesse gesagt, wo er sein Buch "Marke Eigenbau" präsentiert. Friebe vertritt darin die These, dass der bisherige "Konzernkapitalismus" durch eine Wirtschaftsform abgelöst werden könne, bei der Kleinunternehmer ihre Produkte Verbraucher anbieten, die ein Bedürfnis nach Ökologie und fairem Handel haben. Das Internet jedenfalls macht solche Wirtschaftsbeziehungen einfacher.

Die Modebranche ist dabei besonders geeignet für diese, von Friebe beschriebene, kleinteilige Wirtschaftsform. Denn Kleidung dient vor allem im Westen der Hervorhebung der Individualität. Massenprodukte taugen dafür nicht. Das Ende der Massenproduktion wird dies freilich nicht bedeuten. Denn erstens senkt die Massenfertigung Kosten. Zweitens hat Kleidung auch noch eine weitere, gegensätzliche Funktion: Keidung macht den Menschen auch zum Teil der Gesellschaft. Kleidung zeigt Anpassung. Das beste Beispiel ist der Herren-Anzug. Wer in trägt, zeigt Konformität.

Kleidung taugt also auch zur Massenfertigung. Ware von der Stange wird es deshalb weiter geben. Versandhändlern wie Otto braucht deshalb nicht bange sein. Zumal ihr Angebot längst auch im Internet zu kaufen ist - selbst die Bewertung durch den Kunden gehört bei Otto mittlerweile zum Standard.

Donnerstag, 20. November 2008

Nur das Fernsehen bleibt zu hause

Zeitenwende für den Computer: Warum sich fast alle Formen der Kommunikation auf dem Handy vereinen werden

Die Etappen des Misserfolges lassen sich in Fußballmeisterschaften messen. Spätestens zur WM 2006 in Deutschland sollte mobiles Fernsehen an den Start gehen. So hatten es die Macher prognostiziert. Handy-TV galt als Geschäft der Zukunft. Doch 2006 blieb es beim Versuch. Zwei Jahre später das gleiche Spiel: Zur Europameisterschaft in der Schweiz und Österreich versprach man den Durchbruch. Es wurde wieder nichts. Die Gründe: Unausgereifte Technik, wenige Interessenten (trotz Fußball). Anfang diesen Monats dann das endgültige Aus: Das Konsortium Mobile 3.0 gibt die Lizenz zum Aufbau von Handy-TV an die Landesmedienanstalten zurück.

Handy-TV ist vorerst tot - zumindest das speziell für Handys entwickelte Format DVB-H. Neben technischen Problemen hat dies vor allem einen Grund: Fernsehen und Mobilität passen nur bedingt zusammen. Einen Spielfilm oder eine Dokumentation schaut man am liebsten zu hause auf dem Sofa, vielleicht noch im Zug; aber eben nicht in der Kneipe, nicht beim Warten auf den Bus oder auf dem Pausenhof. Viele Fernsehformate brauchen eine entspannte Umgebung und große Bildschirme. Fernsehen ist Freizeitgestaltung, gern auch im Jogging-Anzug.

Handy und Fernsehen müssen also erst noch zusammen finden und zwar in Form neuer Inhalte. Das Fernsehen wird sich den Bedürfnissen anpassen. Wie andere Mediengattungen auch. Denn eigentlich ist das Handy für fast jede Art der Kommunikation das ideale Medium: Man hat es immer bei sich, es überträgt Informationen innerhalb von Sekunden, es kann Töne, Bilder, Bewegbilder. Durch das Handy verschmilzt zunehmend, was früher getrennt war: Man telefonierte über das Festnetz, schrieb Briefe, las Zeitung, hörte Radio, schaute Fern - das Mobiltelefon aber bringt alle Formen in ein Gerät, one size fits all sozusagen.

Wer wissen will, wohin die Reise geht, sollte zwei Fragen strikt trennen: Was ist technisch möglich? Was ist inhaltlich gewünscht? Häufig nämlich werden technische Barrieren mit gewollter Gewohnheit verwechselt. Wir alle haben noch vor fünf Jahren unsere E-Mails nicht deswegen ausschließlich im Büro oder zu Hause am Schreibtisch gelesen, weil es die ideale Zeit oder der beste Ort war. Es fehlte an Alternativen. Weil es aber den Wunsch gibt, selbst darüber zu entscheiden, wann und wo wir kommunizieren, beinhalten heute immer mehr Handys eine komfortable E-Mail-Funktion. Wer also in die Zukunft blicken will, lässt besser alle heutigen technischen Beschränkungen beiseite. Weil was der Mensch sich materiell wünscht, er früher oder später meist auch erreicht.

Was aber geschieht bei der Vereinigung verschiedener Medienformate mit den Medienformaten selbst? Manche werden im wesentlichen bleiben wie sie sind: das Radio zum Beispiel. Denn Radio hört in der Regel nur, wer lediglich "die Ohren frei hat", wer etwa Auto fährt oder kocht. Technischer Fortschritt macht Radio hören zwar komfortabler (zum Beispiel durch digitales Radio), ändert aber nicht grundsätzlich seine Nutzung. Anders verhält es sich mit Medieninhalten, die vorwiegend über das Auge aufgenommen werden. Hier verschmelzen die Formate: Zeitungen und Fernsehen zum Beispiel wandern beide ins Internet. Aber nicht nur das: Auch die Trennung zwischen sozialen Netzwerken wie etwa Facebook oder StudiVZ auf der einen und Nachrichtenlieferanten wie Spiegel online, zoomer.de oder Südkurier.de auf der anderen Seite wird sich vermutlich auflösen. Noch sind dies zwei Welten, historisch bedingt. Auf News-Seiten legen Redaktionen quasi hoheitlich fest, welches Ereignis eine Nachricht wert ist und welches nicht. In sozialen Netzwerken machen das die User selbst. Was von Interesse ist, wird mitgeteilt und von anderen gelesen. Gemeinsam ist beiden, dass es um Nachrichten geht.

Der Unterschied liegt in der Qualität und Quantität. In soziale Netzwerken interessieren sich für die Nachricht eines Users (zum Beispiel wo dieser seinen letzten Urlaub verbracht hat) meist nur wenige; Nachrichten, etwa aus dem Lokalteil einer Zeitung, bekommen von mehr Menschen Aufmerksamkeit; die Zahl der Interessenten wächst bei nationalen und weltweiten News. Aber: Eine grundsätzliche Trennung zwischen Community- und Nachrichten-Welten gibt es eben nicht. Immer geht es um Interesse, Information, Neuigkeit.

Für die Zukunft heißt dies: Soziale Netzwerke und Nachrichten-Portale verschmelzen. Wo man sich mit Freunden austauscht, steht klickbereit das lokale Kinoprogramm. Daneben sind die regionalen und überregionalen Nachrichten zu lesen. Man wird wissen, welcher Freund sich für welche Nachricht interessiert, wer was gelesen, bewertet oder kommentiert hat. Und diese Informationen werden wiederum Auslöser für weitere Diskussionen sein. Die Nachrichten-Verschmelzung hat erst begonnen. Fest steht schon jetzt, wo sie vor allem stattfinden wird, nämlich auf dem Handy. Bei Facebook zum Beispiel explodieren gerade die Zugriffe von mobilen Geräten auf das Social Network: Nach Unternehmensangaben ist die Zahl der User, welche den mobilen Zugang nutzen, von 5 Millionen Anfang des Jahres auf 15 Millionen gewachsen.

Mittwoch, 12. November 2008

Überlasst die Arbeit dem Wähler!

Wer in Zukunft Wahlen gewinnen will, muss sich Obamas Internet-Strategie zu eigen machen

Am besten man testet die Wirkung an sich selbst. Wie Bilder beeinflussen können. Wie sie Stimmung machen. Gegen etwas, oder dafür. In diesem Fall letzteres. Auf der Internetseite des Bilderdienstes Flickr.com kann jeder diese Wirkung nachvollziehen. Dort hat das Wahlkampfteam von Barack Obama Bilder aus der Wahlnacht veröffentlicht. Sie zeigen den zukünftigen Präsidenten im Kreis seiner Familie. Frau und Kinder, Cousinen, Schwiegereltern, Tanten, Schwager; alle vereint vor einem Fernseher in der Hotelsuite in Chicago, wartend auf das Wahlergebnis.

David Katz, Obamas Chef-Wahlkampf-Fotograf, hat sie fotografiert. Kinder lümmeln in Sesseln, Barack Obama hat auf dem Sofa sitzend seine Füße auf den Tisch gelegt, er schaut fern. Es ist ein Einblick in eine halb private, halb offizielle Welt. Die Bilder wecken Sympathie für Barack Obama. Weil es der vermutlich wichtigste Tag in seinem Leben ist, die wichtigste Stunde gar. Die Atmosphäre aber ist dennoch entspannt.

Die Bilder sind nicht ohne Absicht dort gelandet. Barack Obamas Wahlkampfteam hat sie dort platziert. Wie so vieles, was im Internet über Obama veröffentlicht wurde. Die Strategie ist beispiellos, weil zum ersten Mal das Potential Internet für den Wahlkampf erkannt und ausgeschöpft worden war.

Früher wurden vor der Wahl Plakate geklebt, Reden gehalten, Prospekte in Fußgängerzonen verteilt - und kurz vor dem Wahltag dann noch Werbespots im Fernsehen geschaltet, auch Zeitungsanzeigen. All das gibt es auch heute noch und wird es auch in Zukunft geben. Aber ohne eine gezielte Internet-Strategie dürfte es schwierig werden zu gewinnen. Denn mit dem Internet kann man schnell und billig schaffen, was für erfolgreiche Politikvermittlung notwendig ist: ein Netzwerk.

Ein einfaches Beispiel: Wer 10 Freunden eine Nachricht schickt und diese 10 Freund geben sie an wieder 10 Freunde weiter. Und wenn sich dieser Prozess noch drei weitere mal fortsetzt, sind 100 000 Menschen informiert - in minutenschnelle. Und jeder einzelne dieser 100 000 Menschen hat die Info von einem Freund erhalten. Dieser oft negativ als Schneeballeffekt bezeichnete Prozess, ist im besondern Maße Meinungsbildung. Auch im Wahlkampf. Wer politische Überzeugungen aus dem engsten Freundeskreis hört, lässt sich davon viel stärker beeinflussen als von einem Wahlplakat auf dem ein Politiker milde aufs Wahlvolk hinab lächelt.

Die Technik für Obamas Wahlkampf stammt von einem Verlierer. Howard Dean, der 2004 im Vorwahlkampf gegen John Kerry gescheitert war, hatte schon damals auf das Internet gesetzt. Nach dem Aus von Dean gründeten einige Leute aus seinem Wahlkampfteam das Startup Blue State Digital. Dieses Unternehmen ist die Basis für Obamas Erfolg im Internet. Blue State Digital betreibt die Internet-Plattform my.barackobama.com – der Dreh- und Angelpunkt der Internetkampagne, die übrigens mit der Wahl nicht endete, sondern auch Obamas Arbeit als Präsident begleiten wird.

Die Webseite informiert, man kann dort spenden, vor allem aber dient die Seite der Vernetzung. Wer Obama unterstützen will, kann sich dort eintragen. Man wird dann regelmäßig informiert, wird gebeten sich an Aktionen zu beteiligen und schließt sich dafür mit anderen zusammen.

Die Seite hat den Wahlkampf mit entschieden. Zum Beispiel wegen der Spendengelder. Bis Juli 2008 waren über Online-Spenden 200 Millionen Dollar zusammen gekommen, eine Million Menschen hatten sich auf der Website registriert und darauf hin bei der Organisation von 75 000 lokalen Aktionen geholfen. Keiner der Konkurrenten kam auch nur annähernd auf solche Zahlen.

Die Obama-Unterstützer griffen dabei auf bewährte Wahlkampf-Mittel zurück: Sie organisierten Wahlkampfveranstaltungen, Haus-zu-Haus-Aktionen, verteilten Flyer, schrieben Mails, telefonierten. Dies zeigt: Der Wahlkampf der Zukunft findet nicht alleine im Internet statt. Das Internet mobilisiert und koordiniert vielmehr die Unterstützer. Entscheidend ist, Online-Aktivitäten mit Aufgaben in der echten Welt zu koppeln.

"Ja, es gibt Blogs und E-Mail-Newsletter. Aber letztlich geht es darum, jemanden zum Spenden, zum Telefonieren, zum Briefeschreiben oder zu einer Party zu bewegen", sagt selbst Jascha Franklin-Hodge, der damals die Internet-Infrastruktur für die Dean-Kampagne aufgebaut hatte.

Natürlich hatte auch die Konkurrenz Webseiten. Den Unterschied aber machte: Bei Obama stand nicht der Kandidat im Mittelpunkt, sondern die Unterstützer. Es wurde nicht diktiert, sondern lediglich die Infrastruktur zur Verfügung gestellt. "Der entscheidende Vorteil war, dass Obamas Leute von Anfang an wirklich intelligente Werkzeuge zur Community-Bildung eingesetzt haben", sagt Lawrence Lessig, ein Jura-Professor in Stanford. Aus Hierarchie wurde Anarchie: Die Unterstützer organisierten sich selbständig.

Und: Die Webseite my.barackobama.com war nicht die einzige Internet-Aktivität von Obamas Wahlkampfteam. Andrew Rasiej, Gründer der Politik-Website Personal Democracy Forum, sagt: "Obamas Leute haben verstanden, dass die Anhänger die Botschaften selbst verbreiten, wenn sie auf den unterschiedlichen Plattformen zur Verfügung stehen. " So wurden die Reden Obamas auf Youtube platziert. Profile auf MySpace und Facebook gepflegt und auf Twitter den Interessierten mitgeteilt, was Obama gerade so macht – allein dort verfolgten 50 000 Menschen täglich Obamas Wahlkampf. Joe Trippi, der 2004 den Wahlkampf von Dean geleitet hatte, sagt es so: "Bill Clintons Wahlspruch 1992 war: ,Es ist die Wirtschaft, Dummkopf!’ {It’s the economy, stupid!}. Dieses Mal müsste es heißen: ,Es ist das Netzwerk, Dummkopf'."

Donnerstag, 30. Oktober 2008

1000 treue Fans

Alles hat seinen Preis: Warum im Internet das meiste kostenlos ist

Eigentlich hatte King Camp Gillette den Kapitalismus gehasst. Im Alter von 39 Jahren, das war im Jahr 1894, erschien sein Buch "The Human Drift". Darin beschreibt er seine Idee eines utopischen Sozialismus, in dem alle Unternehmen verstaatlicht  und Millionen Menschen in einer riesigen Stadt mit dem Namen Metropolis leben.
 
Für Gillette war die Marktwirtschaft vom Teufel, bis er eines Morgens diesen millionenschwerer Einfall hatte. Er versuchte gerade seine Rasierklinge zu schärfen. Doch die Klinge war alt und abgenutzt. Da kam ihm die Idee mit der Einweg-Klinge. Mit dieser Idee gründete er die Gillette-Company, die es noch heute gibt ("Für das beste im Mann").
 
Die Geschichte von King Camp Gillette war neulich im amerikanischen Techniktrend-Magazin "Wired" zu lesen. Es war dabei weniger um Kapitalismuskritik oder Rasierklingen gegangen, sondern um das Internet. Genauer gesagt um die vielen kostenlosen Angebote im Netz und wie damit dennoch viel Geld verdient wird. Interessant an der Gillette-Story war dabei weniger seine Idee, sondern das was er daraus machte. Der Idee folgte nämlich ein geniales Verkaufskonzept. Ein Konzept, das auf die Macht der Gewohnheit setzte.
 
Die amerikanische Regierung brauchte Rasierklingen für seine im Ersten Weltkrieg kämpfenden Soldaten. Und Gillette machte ein Angebot, das keiner unterbieten konnte. Denn sein Angebot war ein Verlustgeschäft:  die Produktionskosten für die Klingen lagen über der Summe, die er vom Staat bekam. Aber Gillette war nicht dumm. Der Deal rechnete sich. Langfristig. Denn als die Soldaten aus dem Krieg heimkehrten, hatten sie sich an die Wegwerfklingen gewöhnt. Was sie als Soldaten kostenlos bekommen hatte, kauften sie nun auch privat.
 
Was die Gillette-Geschichte mit dem Internet zu tun hat? Gillette erfand ein Geschäftsmodell, das heute in der Technikbranche weit verbreitet ist. Im Grunde besteht es aus einer Quersubvention: Ein Produkt wird besonders günstig, nicht selten auch kostenlos, angeboten, weil der Anbieter weiß, dass er mit einem Folgeprodukt gutes Geld zu verdienen ist. Handys etwa werden verschenkt, wenn man einen Mobilfunkvertrag abschließt. Oder Computerhersteller wie zum Beispiel Apple verschenken ihre Software wie zum Beispiel iTunes, weil sich aus der Bedienung des Programms Folgegeschäfte wie etwa der Verkauf von Musik ergeben.  
 
Neben der Quersubventionierung gibt es drei weitere Gründe, warum es (vor allem im Internet) vieles kostenlos gibt. Ein ganz simpler ist: Geld ist nicht die einzige Motivation. Wikipedia ist das beste Beispiel. Menschen nehmen sich die Zeit um lange Artikel zu verfassen. Weil sie aufklären wollen. Vielleicht auch weil sie Besserwisserisch sind. Jedenfalls nicht, um damit materiell reich zu werden.
 
Ein weiterer Grund für Angebote ohne Bezahlung ist nicht weniger simpel: die Werbung. Es gibt kostenloses Fernsehen, Radio, Internetportale und Gratisblätter. Selbst die Zeitungen und Zeitschriften, welche man nur gegen Geld bekommt, leben von der Werbung. Sie alle verdienen daran, dass Werbebotschaften zu den Lesern, Zuschauern, Usern und Hörern gebracht werden. Das Geschäftsmodell „Werbung plus Inhalt“ ist so alt wie die Zeitung. Im  Internet erlebt es eine Neuauflage. Fast alle Webangebote sind  mittlerweile umsonst und versuchen sich über Anzeigen zu finanzieren. Das führt zu Problemen.
 
Das Anzeigenaufkommen im Internet steigt seit Jahren rasant. Im Jahr 2009 soll es weltweit 50 Milliarden Dollar betragen. Das ist eine große Summe - und dennoch viel zu wenig. Der Unternehmensberater Alan Patrick von Broadsight.com hat jüngst auf der Internetkonferenz Web 2.0 Expo in Berlin eine einfache Rechnung aufgemacht, was große werbefinanzierte Internetangebote betrifft. Er geht davon aus, dass 40 der 50 Milliarden Dollar an Google sowie an eine unüberschaubare kleine Zahl von Internetseiten geht. Bleiben für die großen Internet-Seiten 10 Milliarden Dollar. Will nun jedes dieser Webangebote ein 100 Millionen Dollar schweres Unternehmen sein, dann ist im Schnitt nur Geld für 100 Unternehmen dieser Größenordnung da. 100 Unternehmen weltweit! Da wird schnell klar: Vom großen Online-Werbekuchen bleiben für viele nur Brösel.
 
Der vierte Grund für kostenlose Internetangebote hat einen Namen: Freemium. Das Geschäftsmodell basiert darauf, dass nur ein kleiner Teil der User bezahlt, die so genannten Premium-Nutzer. Der Großteil dagegen begnügt sich mit einem kostenlosen Basic-Account. Dieses Geschäftsmodell passt hervorragend zum Internet. Denn die vermeintlichen Trittbrettfahrer, also jene die das Angebot kostenlos nutzen, sind für den Portalbetreiber kein Problem – weil sie kaum Kosten verursachen. Sein  Angebot gibt es so oder so. Diese User beeinflussen im Gegenteil das Geschäft meist sogar positiv. Weil sie zum einen Werbung für das Angebot machen. Und weil sie zum anderen den Nutzen des Portals erhöhen, da in Netzwerken der Nutzen für alle Beteiligte steigt, je mehr sich an diesem Netzwerk beteiligen.
 
Aber nicht nur die großen Portale können durch das Freemium-Prinzip überleben. Der Journalist und Blogger Kevin Kelly hat treffend beschrieben, dass man als Musiker, Fotograf, Designer, Videofilmer nur rund 1000 echte  Fans braucht, um sich mit seiner Kunst seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Kelly spricht bewusst von "echten Fans". Er meint damit nicht jene, die sich etwa Musik kostenlos im Netz runterladen, sondern den Teil der Anhänger, die CDs kaufen, weil sie den Künstler schätzen; die lange Fahrzeiten zu Konzerten in Kauf nehmen; die auf Vernissagen gehen und dem Künstler hin und wieder ein Werk abkaufen. Wenn jeder Fan, so Kellys einfache Rechnung,  pro Jahr im Schnitt 100 Dollar für „seinen Star" ausgibt, kommt der Künstler auf ein staatliches Jahresgehalt von 100 000 Dollar.
 

Das Internet, so Kelly weiter, mache eine 1000-echte-Fan-Strategie möglich. Weil Information und Kommunikation nicht viel koste. Das ermögliche eine hohe Künstler-Fan-Bindung. Diese Beziehung sei letztlich auch für den Künstler besser als jene tradierten Starkulte, welche früher etwa durch die Musikbranche geschaffen worden seien. Viele Künstler hätten davon geträumt groß raus zu kommen – für die wenigsten wurde der Traum wahr. Das 1000-echte-Fan-Modell stehe dagegen jedem offen. So werde wenigstens jener Traum Wirklichkeit, sich mit seiner Kunst den Lebensunterhalt zu verdienen.
 

Donnerstag, 23. Oktober 2008

Eine Frage der Größe

Weil mobiles Surfen zur Selbstverständlichkeit wird, stehen die Webseitenbetreiber vor neuen Herausforderungen

Früher hatte das Internet seinen festen Platz. Es war auf dem Bürotisch. Oder zu Hause in einer Zimmerecke. Man brauchte ein Kabel dafür, das Kabel steckte in einer Buchse, die war mit einem Verteilerkasten vor dem Haus oder in der Nachbarstraße verbunden. Von dort gab es Anschluss an den großen, weltweiten Datenstrom.

Früher lag das Internet an der Leine, die Verkabelung gab Ort und auch Zeit der Nutzung vor. Heute ist das Internet überall und immerzu verfügbar, W-Lan und UMTS sei Dank. Doch viele merken davon noch gar nichts. Denn dem Fortschritt in der Übertragungstechnik hinkt die Entwicklung der Produkte zur Nutzung des World Wide Web hinterher. Die Mehrzahl der Mobiltelefone ist für das Surfen so geeignet wie ein alter Schwarz-Weiß-Fernseher für hoch auflösende DVD-Filme.

Aber jetzt steht das Internet vor seiner größten Veränderung. Es gibt weltweit 20 Mal mehr Handys als Computer. Noch kann man mit den wenigsten vernünftig im Internet surfen, aber in wenigen Jahren wird das ganz anders sein. Denn bei keinem Produkt verbreitet sich der technische Fortschritt schneller als beim Handy. Weil alle zwei Jahre ein neuer Mobilfunkvertrag ansteht und die meisten mit jedem Abschluss auch ein neues Handy erhalten. Handy-Besitzer sind damit automatisch fortwährend technisch up-to-date. Und mittlerweile sind die ersten Handy-Modelle verfügbar, auf denen Webseiten nicht nur gut anzuschauen sind, sondern man sich auch einfach von Webseite zu Webseite klicken kann. Beispiele sind das iPhone von Apple oder das G-Phone von Google. Letzteres gibt es seit gestern in den USA zu kaufen, Anfang nächsten Jahres wird es auch in Deutschland erhältlich sein.

Hinzu kommt: Das mobile Surfen wird immer günstiger. Eine Flatrate kostet mittlerweile nur noch rund 30 Euro im Monat. Bald wird auch dieser Preis utopisch hoch anmuten.

Für die Betreiber von Internetseiten bedeutet dieser Wandel ein große Herausforderung. Denn die Webangebote müssen auf den unterschiedlichsten Bildschirmgrößen nutzbar sein. Eine Internetseite soll auf dem großen Plasmabildschirm im Wohnzimmer genauso gut wirken, wie auf dem kleinen 12-Zoll-Bildschirm der trendingen Mini-Laptops. Die wirkliche Herausforderung aber sind die winzigen Displays der Handys. Zumal Handy nicht gleich Handy ist. Die kleinsten sind mit einen Bildschirm ausgestattet, der nicht viel größer ist als eine Streichholzschachtel, nämlich 128 auf 160 Pixel, auf größeren finden immerhin 320 auf 480 Pixel platz.

Je mehr Handy-Nutzer ihr Gerät zum Internetsurfen nutzen, desto wichtiger wird es für Webseiten-Anbieter ihre Inhalte auch auf kleinen Bildschirmen anschaulich darzustellen. Das ist aufwändig und kostet zusätzliches Geld, weil neben der bestehenden Webseite eine zweite entwickelt werden muss. Eine kleinere. Der Aufbau der Seite muss geändert werden. Weil bei mobil weniger oft mehr. Das Unwichtige weicht dem Wichtigen. Am Ende muss die Seite auch noch programmiert werden. Auch das ist meist nicht billig. Aber eben unverzichtbar. Denn sobald das mobile Web zur Selbstverständlichkeit wird, ist das Unverständnis groß, wenn Webseiten nicht zu jeder Zeit und an jedem Ort abrufbar sind.

Wer in Zukunft kein mobiles Webangebot präsentiert, könnte also in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Auch weil neue Umatzmöglichkeiten verschlossen bleiben. Der Branchenverband Bitkom hat zusammen mit dem Beratungsunternehmen Goldmedia eine Studie veröffentlicht. Demnach werden sich die Umsätze mit Handy-Werbung in Deutschland von 96,9 Millionen Euro im Jahr 2007 auf annähernd 300 Millionen Euro im Jahr 2012 erhöhen. Der Umsatz mit mobilen Datendiensten ohne SMS und MMS wird sich von 1,6 Milliarden auf 5,7 Milliarden Euro ebenfalls verdreifachen. Bis dahin, so die Studie, werden mehr als 60 Prozent der Mobiltelefonanschlüsse über einen schnellen Internetzugang per UMTS verfügen.

Dienstag, 14. Oktober 2008

Heimat 2.0

Lokales im globalen Netz: Für den Journalismus liegt die Zukunft in der Region

Claus Strunz war acht Jahre lang Chefredakteur von Bild am Sonntag gewesen. Gestern trat er seinen neuen Job an. Er ist zwar weiter als Chefredakteur tätig, aber nicht mehr für Deutschlands größte Wochenend-Zeitung, sondern beim "Hamburger Abendblatt". Ein Karriere-Knick für den 42-jährigen Überflieger aus dem Hause Springer? Strunz kontert offensiv: "Ich sehe den Wechsel eher als Aufstieg", sagte er. Und: "Die Zukunft des Journalismus liegt vor allem im Regionalen."

Ob Abstieg oder Aufstieg: Den Trend hat Strunz jedenfalls auf seiner Seite. Genauer gesagt den Gegentrend. Vor ein paar Jahren noch war der Begriff der Globalisierung positiv besetzt. Er stand für Wachstum, Offenheit, Veränderung. Doch der Wind drehte sich: Heute assoziieren damit viele Ungerechtigkeit und Entfremdung. Heimat dagegen hat Konjunktur. Wir kaufen bevorzugt Produkte aus der Region, empfinden Herkunft als identitätsstiftend, interessieren uns für Themen aus der Nachbarschaft. 70 Prozent der Deutschen, so eine Studie des Südwestrundfunks (SWR), wünschen sich in den Medien mehr Hintergrundinformationen zu Ereignissen aus der Region.

Es ist nicht nur der Anti-Globalisierungstrend, der regionale Nachrichten für Informationsanbieter wichtiger macht. Es ist das Internet selbst. Nachrichten werden heute über das Netz weltweit verbreitet. Das heißt auch: Der Leser/Zuhörer/Zuschauer/User empfängt deutlich mehr Informationen, aber eben oft auch gleichen. Über die weltweite Finanzkrise oder Selbstmordanschläge im Irak-Krieg berichten unzählige Medien, häufig mit den selben Details. Die Folge: Medien werden austauschbar - der Tod einer jeden Medienmarke. Lokale Nachrichten dagegen sind meist einzigartig. Weil sich nur wenig, nicht selten nur ein einziger um die Informationsbeschaffung bemüht. Durch lokale und regionale Informationen erlangen Verlage damit etwas Wesentliches: Einzigartigkeit.

Aber Einzigartigkeit alleine reicht nicht. Wer es nicht schafft, Nachrichten zu Geld zu machen, der kann seine Informationsbeschaffer nicht bezahlen. Vor dem Internet-Zeitalter war das Geschäftsmodell für die Verlage schlicht und klar: Die Nachricht erschien in der regionalen Zeitung, die an die Leser verkauft wurde und in der von der ganzseitigen Anzeige ob einer Supermarkteröffnung bis zum privaten Autoverkauf in der Kleinanzeigen-Rubrik, alle Anzeigenkunden ihr Werbe-Botschaften inserierten. Das brachte respektable Gewinne. Das Web hat die Lage verändert: Kleinanzeigen wandern ins Netz ab und neue regionale Webportale kämpfen um Aufmerksamkeit und Anzeigen. Der Werbekuchen wird neu aufgeteilt.

Für den Journalismus ist das kein grundsätzliches Problem. Denn Unternehmer wollen auch in Zukunft ihre Produkte an Mann, Frau und Kind kriegen. Und sie brauchen dafür eine Plattform, die von vielen wahrgenommen wird. Die Frage ist nur: Wem werden diese Plattformen gehören? Und damit: Wer macht in Zukunft gutes Geld? Doch auch wenn die Karten neu gemischt werden, sind die Trümpfe bereits verteilt. Denn etablierte Medienmarken können das Vertrauen, dass Leser und Werbetreibende in sie haben, auf neue Medienformate übertragen: Glaubte man der Zeitung, schenkt man auch deren Internet-Auftritt vertrauen. Und dennoch hat das Internet den Wettbewerb um lokale Nachrichten neu eröffnet. Dass diese Form der Nachrichten auch im Netz die größte Aufmerksamkeit bringen, hat man übrigens schon zu Beginn des Internet-Zeitalters beobachten können, als nämlich Programmierer der Universität Cambridge eine der ersten Webcams zur Übertragung von Bildern im Internet installiert hatten: Sie zeigte die Füllstand-Anzeige ihrer Institutskaffeemaschine.

Samstag, 11. Oktober 2008

Bin ich noch drin?

Nach der Krise kommt die Zukunft: Wie das Internet in einigen Jahren aussehen könnte

Wirtschaftlichen Krisenzeiten verengen den Blick. Das Heute ist wichtig. Was zählt, ist das Überleben. Hektisch wird nach Sparpotentialen gesucht, der Gürtel enger geschnallt, Investitionen in interessante, aber gewagte Ideen in die ferne Zukunft geschoben. Der wirtschaftliche Zwang regiert das Tagesgeschäft.

Der aktuelle Finanzcrash im weltweiten Bankensystem lässt auch alle anderen Branchen nach dem Krisenplan in der Schublade kramen. Die gewagte Geschäftsidee hat Hausarrest - auch und gerade bei Unternehmen der Informationstechnik. Da kommt eine Studie gerade Recht, die den Blick über den zeitlichen Tellerrand ermöglicht. IVW, Agof und Infonline, drei Organisationen, die unter anderem die Internetnutzung beobachten, haben sich mit der Zukunft des Internets beschäftigt. Zwischen März und Mai diesen Jahres wurden Experten aus den Bereichen Internet-Werbung, Webseiten-Betreiber, Journalisten, Verbände, Institute, Techniker und Wissenschaftler mit folgender Fragestellung konfrontiert: "Wohin entwickelt sich das Medium Internet in den nächsten Jahren?"

Konkret gaben die Experten Antworten auf drei Bereiche: die Entwicklung von Webinhalten, zukünftige Geschäftsmodelle sowie die veränderte Nutzung des Internets durch die User.

1) Wie ändern sich die Inhalte der Webseiten?

Die Experten vermuten, dass Blogger an Bedeutung gewinnen. Einzelne Blogger könnten den „Status der Meinungsführerschaft“ erlangen. Blogs würden somit selbst zu kleinen Medienmarken.

Außerdem erwarten die Internet-Experten eine stärkere Vermischung von redaktionellem Inhalt mit von Usern erstellten Beiträgen. Die Interaktion werde zentral, weil die User mitmachen wollten, so die Studie.


2) Womit wird man im Internet in Zukunft Geld verdienen?

Grundsätzlich, so die Studie, gebe es heute wie in der Zukunft drei Möglichkeiten, im Internet Umsätze zu erwirtschaften: mit Werbung, mit E-Commerce (also dem elektronischen Handel) sowie bezahlten Inhalte (so genannter paid content). Letzteres, so glauben die Experten, werde auf wenige Bereiche beschränkt bleiben. Diese seien Video auf Abruf, Computerspiele, Fachinformationen und Erotik. Entscheidend sei hierbei die Aktualität, die Exklusivität und die Hochwertigkeit. Der E-Commerce dagegen werde sich in Zukunft auf weitere Warengruppen ausweiten. Voraussetzung für eine schnelle Ausweitung sei eine Vereinfachung der Bezahlsysteme. Und auch der klassische Online-Werbemarkt, wie etwa Anzeigen, werde mit der steigenden Online-Nutzungsdauer wachsen, vor allem weil man immer bessere Informationen über die Nutzer hätte und deshalb Werbung immer zielgenauer zukommen lassen könne.

3) Wird sich die Nutzung des Internets wandeln?

Die Experten vermuten, dass das Internet wie bisher ein aktives Medium bleibt. Das bedeutet, dass der User sich weiter aktiv auf die Suche nach Inhalten macht. Das Internet als so genanntes Lean-Back-Medium, also als Berieselungsmedium, können sich nur die wenigsten Befragten vorstellen. Allerdings: Es gibt auch den Trend zur Medienkonvergenz, das meint die Auflösung der Format-Kanal-Bindung. Konkreter: Das Internet vereinigt zunehmend alle Formate. Mit ihm wird Fern gesehen, Radio gehört, Musik abgespielt, Nachrichten gelesen, Videos geschaut, Comupter-Spiele gespielt. Wer aber im Internet beispielsweise einen Film schaut, für den ist das Internet ein passives Medium, weil seine Hände nicht mit Tastatur und Maus, nach Inhalten suchen.

Vermutlich wird der Begriff des Internets selbst zunehmend unscharf, weil das Internet nicht mehr alleine das Surfen auf Webseiten meint, sondern lediglich die Übertragung von Daten mittels der Technik des Internets. "Die Nutzer werden in Zukunft gar nicht mehr genau wissen, wann sie im Internet sind und wann nicht", sagt einer der Experten laut der Studie. Weil das Internet zur völligen Selbstverständlichkeit geworden ist und unterschiedlichste Geräte auf das Internet zurückgreifen. Denkbar, dass eine drahtlose Internetverbindung bald so selbstverständlich sein wird, wie Radiowellen für den Empfang eines Senders.

Die Statistik belegt, dass ein Großteil der heutigen Unternehmen bei dieser Entwicklung gar nicht mehr dabei sein werden. Schätzungen zufolge überstehen nur fünf bis zehn Prozent aller Startups rund ums Internet die ersten drei Jahre. Der Blick über den zeitlichen Tellerrand ist für manches Unternehmen deshalb auch der Blick in den eigenen wirtschaftlichen Abgrund sein. Kein Wunder, dass man da lieber an heute als an morgen denkt.

Mittwoch, 1. Oktober 2008

Sie sind jung und brauchen das Geld

Hypothekenkrise und Bankencrash: Wie sich die weltweite Finanzkrise auf die New Economy auswirkt

Ein Begriff ist in Vergessenheit geraten. Er ist verbrannt, sagt das Marketing. Zu viele negative Assoziationen. Kaum einer spricht noch von der "New Economy". Dabei hatten die zwei Worte einmal das finanzielle Glück auf Erden versprochen. New Economy, das waren junge Firmen aus der Computer-Branche oder der Bio-Technologie. Diese Unternehmen wollten anders sein, als die etablierten Konzerne. Schneller, kreativer, gewinnbringender. Viele glaubten daran und gaben ihr Geld. Sie wollten dabei sein, als die Kurse stiegen, immer schneller. Bis zum März 2000. Dann platzte die Blase.

Achteinhalb Jahre später purzeln die Kurse erneut. Schuld sind diesmal nicht Technologie-Aktien. Billiges Geld der amerikanischen Notenbank, mit dem sich viele Amerikaner den Traum vom Eigenheim erfüllt hatten, war der Anfang vom Ende. Später brachten faule Hypotheken-Kredite das gesamte Bankensystem ins Wanken, teilweise zum Einsturz. Keine Branche wird von den Folgen verschont bleiben. Wie aber trifft es jenen Wirtschaftszweig, der beim letzten Börsencrash Hauptleidtragender war? Was wird von hoffnungsvollen Startups übrig bleiben?

Junge Unternehmen werden von Finanzkrisen meist überproportional hart getroffen. Denn sie brauchen das, was in solchen Zeiten besonders knapp ist: Geld. Viele dieser Unternehmen stehen noch nicht auf eigenen Beinen. Sie machen keine Gewinne. Und neues Geld, etwa von so genannten Venture-Capital-Unternehmen, ist schwer zu bekommen. Weil diese Firmen, die sonst gerne etwas riskieren und mit ihrem Kapital bei hoffnungsfrohen Jungfirmen einsteigen, genug mit sich selbst zu tun. Nach einer Studie des Ökonomen John Fisher von der Universität San Francisco hat sich durch das Platzen der Internetblase zur Jahrtausendwende die Zahl der Venture-Capital-Unterehmen von rund 1800 auf 1200 reduziert. "Dieses Mal wird der Einbruch erneut zu spüren sein: Ich schätze, dass nur 500 bis 750 Firmen übrig bleiben", so Fisher gegenüber Spiegel Online.

Auch an frisches Geld durch einen Börsengang ist aktuell nicht ranzukommen. In den USA zum Beispiel wird im gesamten Jahr 2008 gerade Mal mit zehn Börsengängen gerechnet. Hinzu kommt: Technologie-Unternehmen brauchen die Finanzbranche nicht nur als Geldgeber, sie schätzen sie auch als attraktive Auftraggeber. Weil in Geldhäusern, neben dem Personal, funktionierende Computer und Software das größte Kapital sind. Aber keine Bank, die finanzielle Probleme hat, wird viel Geld in ihre Informationstechnik stecken. Schon immer wurde an Investitionen zuerst gespart.

Für junge Hightech-Firmen gibt es aber auch Grund zur Hoffnung: Der Wirtschaftszweig gilt als Zukunftsmarkt. Wenn die Finanzkrise ausgestanden ist, werden neue Anlageformen gesucht werden. Der Immobilienmarkt wird auf absehbare Zeit nicht gefragt sein. Interesse wecken werden Werte mit Perspektive, Werte, die getragen sind von dem Wunsch, mit neuen Technologien Geld zu verdienen.

Wie aber als Chef eines solchen Startups die Durststrecke überwinden?
Ryan Janssen, Geschäftsführer von Angelsoft.net, einer Web-Plattform, die Investoren und Unternehmer zusammen bringt, hat in einem Blogbeitrag drei Ratschläge gegeben.

1) Sprechen Sie mit ihrem Team und den Investoren! Man müsse der eigenen Belegschaft klar machen, so Janssen, was die schwierige Situation bedeute, nämlich keine Einstellungen, kein Boni, kein Gehaltsanstieg. Auch müsste deutlich werden, dass Investitionen zurückgestellt werden müssten. Auch solle frühzeitig den Geldgebern mitgeteilt werden, dass sie mit niedrigerem Wachstum rechnen müssten. Offene Kommunikation brächte Verständnis, so der Geschäftsführer.


2) Suchen Sie neue Umsätze! Viele Startups, schreibt Janssen im Blog gigaom.com, würden lediglich darauf schauen, so viele User wie möglich an sich zu binden und hofften, die große Userzahl erst später in Umsätze wandeln zu können. In Krisenzeiten sei es aber von Nöten, Einnahmen zu generieren. Deswegen sei es wichtig, das eigene Produkt nach unentdeckten Umsatzquellen zu durchsuchen.

3) Machen Sie weniger! Krisenzeiten seien Zeiten der Besinnung. Wer in solchen Phasen als einziges Ziel das Wachstum habe, der Laufe Gefahr sich finanziell zu verausgaben und beim nächsten Aufschwung erst gar nicht mehr dabei zu sein.

Mittwoch, 24. September 2008

Google ist nicht witzig

Eintönig oder einzigartig: Wie die größte Suchmaschine der Welt den Journalismus verändert

Google kann keine Flugzeuge zum Absturz bringen, aber Fluggesellschaften. Am Morgen des 8. Septembers war die Aktie von United Airlines ins Bodenlose gestürzt. Innerhalb weniger Minuten sackte der Kurs um 76 Prozent ein. Was war geschehen? Auf der Internet-Startseite der amerikanischen Zeitung „South Florida Sun Sentiel“ hatte fälschlicherweise ein Artikel aus dem Jahre 2002 gestanden. Der Text hätte sich eigentlich im Online-Archiv befinden sollen. In dem Artikel war die Insolvenz von United Airlines vermeldet worden. Google, das stetig Webseiten nach neuem Inhalt durchforstet, hatte den Artikel entdeckt und ihn auf Google News, seiner Suchseite für Nachrichten, dargestellt. Dort entdeckte ihn ein Analyst von "Income Securities Advisors" und schickte die Nachrichte über die Wirtschaftsnachrichten-Agentur Bloomberg auf die Börsen-Bildschirme der Aktienhändler.

Weder die Zeitung, noch Google, noch der Analyst, noch die Aktienhändler hatten den Fehler bemerkt. Dabei hätte beim Lesen des Artikels schnell klar werden können, das der Text veraltet ist. Viele Rückschlüsse, lassen sich aus dieser Geschichte ziehen. Einer ist: Google News hat eine enorme Bedeutung im Nachrichten-Geschäft.

Verlage haben den Erfolg von Google News lange kritisch beäugt. Verständlich. Nachrichten kosten Geld. Sie müssen rechechriert, geschrieben und veröffentlicht werden. Google aber nimmt sich fremde Nachrichten-Texte und präsentiert sie selbst. Auf der anderen Seite: Google zeigt nicht die ganze Nachricht, sondern nur die ersten Zeilen. Wer mehr will, klickt und landet im Webangebot des Nachrichtenerstellers. So profitiert auch dieser von Google News.

Rund ein Viertel aller Besucher von Nachrichtenseiten landen über einen Link bei Google dort. Es ist also äußerst lohnend, auf der Trefferliste des Suchmaschinen-Betreibers auftauchen. Aber nicht irgendwo, sondern weit vorne. User klicken in aller Regeln nur auf einen der ersten Einträge einer Trefferliste. Wie aber kommt man auf die erste Seite einer Trefferliste bei Google?

Rund 200 Kriterien soll es bei Google geben, die darüber entscheiden, ob und wo ein Internetseite bei den Suchtreffern auftaucht. Wie die Kriterien aber konkret lauten und wie sie gewichtet werden, darüber schweigt sich das Unternehmen aus Kalifornien aus. Zu Recht. Eine Armada von Unternehmen lebt davon, für seine Kunden Webseiten zu optimieren, damit diese bei Google weit vorne erscheint. Google ist aber nur dann eine gute Suchmaschine, wenn dort Inhalte gefunden werden, welche für die User von Interesse sind, nicht jene, die mit viel Geld und vielen Tricks auf der ersten Suchtreffer-Seite von Google landen. Der Ablauf ist ein Katz-und-Maus-Spiel: Google verändert ständig seinen Such-Algorithmus (im vergangenen Jahr 450 Mal) und die Suchmaschinen-Optimierer versuchen die veränderten Suchgewohnheiten von Google zu verstehen, um daraufhin Webseiten anzupassen.

Diese Optimierung findet mittlerweile nicht mehr nur in den Technik-Abteilungen statt, sondern auch in den Redaktionen selbst: Onlineredakteure bekommen zum Beispiel Anweisungen, wie sie titeln sollen. Nämlich keine verschnörkelten Feuilleton-Überschriften sollen verwendet werden, sondern eine klare deutliche Sprache. Google mag es simpel. Und im Vorspann soll möglichst das Schlüsselwort des Textes auftauchen, ein Wort also, dass den Text zusammenfasst und nachdem mutmaßlich viele User bei Google suchen. Das Wort soll dabei am besten mehrfach im Vorspann erscheinen, Synonyme seien zu vermeiden. Denn für Google ist die Mehrfachverwendung des gleichen Wortes ein Hinweis dafür, dass es auf dieser Seite vor allem um Inhalte rund um dieses Wort geht. Gibt ein User bei Google dann diesen Suchbegriff ein, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass diese Seite unter den ersten Treffern auftaucht.

Damit aber erzeugt Google Eintönigkeit. Titeln wird der Witz genommen, weil die Google Witze nicht versteht und die Vielfalt der Sprache wird reduziert, auf sich stetig wiederholende Begriffe. Andererseits: Google lernt dazu. Es wird nicht lange dauern, dann wird die Google-Software Synonyme zu Wortgruppen zusammenfassen können. Vielleicht macht sie das heute schon. So genau weiß man das nicht. Sicher ist: Bereits jetzt honoriert Google Internet-Seiten, auf denen so genannte „Keyword-Welten“ zu finden sind, damit sind Wortgruppen gemeint, die in einem Zusammenhang stehen, wie etwa Urlaub, Meer und Adria. Kommen solche Begriffe auf einer einzigen Seite vor, dann vermutet Google, dass ein Thema ausführlich behandelt wird und bewertet die Seite höher.

Außerdem: Google hasst Kopien und prämiert die Einzigartigkeit. Webseiten, welche vorwiegend Agenturmaterial anbieten, haben bei Google News kaum eine Chance. Weil es eine Seite unter vielen ist. Die Wahrscheinlichkeit, mit einem Angebot, das auf hundert anderen Seiten ebenfalls zu finden ist, bei Google auf einem der vorderen Plätzen zu erscheinen, ist gering. Anders verhält es sich bei Exklusiv-Nachrichten: Wer eine Nachricht als einziger oder zumindest als erster hat, dem ist eine Top-Platzierung sicher. So fördert Google ungewollt den Journalismus, weil Eigenrecherche belohnt wird.

Und ein weiterer Grund spricht gegen die Angst mancher Verleger vor Google News. Bei Google News werden von Menschen erstellte Nachrichten durch eine Computer-Software zusammengetragen. Das verläuft im besten Fall ohne Fehler. Was einer solchen Seite aber immer fehlen wird, ist das Individuelle. Google sammelt auf, was es im Internet findet. Ein gute gemachte Zeitung aber ist mehr: dort wird abgewogen, Meinung gemacht, Gesicht gezeigt, Image aufgebaut. Immer mehr geht es in der wachsenden Zahl von Webangeboten darum, einzigartig zu sein. Nur wer nicht ist wie die Anderen, bleibt sichtbar.

Mittwoch, 10. September 2008

Das Twitter-Mosaik

Warum ist Mikrobloggen so erfolgreich? Weil der Mensch Nähe braucht

Alex Beam ist 54 und versteht die Welt nicht. Der Kolumnist des Boston Globe hat jüngst eine Artikel über Twitter geschrieben. Twitter ist jener Internetdienst, bei dem man Botschaften kurz wie eine SMS verschickt. Der Unterschied zur SMS: Die Nachricht hat nicht einen, sondern viele Empfänger. Es wird „getwittert“, dass man gerade auf dem Weg zur Arbeit ist; welchen Kinofilm man am Abend zu sehen gedenkt; warum die Pizza beim Lieblingsitaliener besonders lecker war. Twitter-Beiträge sind zu 99,9 Prozent belanglos.

Beam jedenfalls hatte sich für seine wöchentliche Kolumne Twitter angesehen und schnell wieder die Finger von gelassen. Sein Fazit: "Wen soll es stündlich interessieren, was ich den ganzen Tag mache? Das interessiert ja nicht einmal mich."

Mikrobloggen oder Micropublishing sind zwei Begriffe, die das Gleiche meinen, nämliche das zeitnahe Mitteilen knapper Informationen. Es ist die kleine Schwester des großen Bruders „Blog“. In einem Blog wird thematisiert, analysiert, ausgeufert. Ein Mikroblog dagegen ist kurz und knapp. Twitter ist der bekannteste Anbieter. 140 Zeichen pro Nachricht sind dort erlaubt. Lesen kann diese Nachrichten jeder der möchte; allerdings ist es auch möglich, den Kreis der Betrachter einzuschränken. In der Regel sind Freunde und Bekannte die Adressaten (bei Twitter „Follower“ genannt). Die Lesen die Botschaften auf ihrem Computer, immer öfters auch auf dem Handy. Was geschrieben wird, ist, wie gesagt, in der Regel trivial. Warum aber ist Twitter dann so erfolgreich? Vor allem bei Jüngeren. Siegt die Banalität über den Tiefgang, die Phrase über die Differenzierung?

Im New York Times Magazin war neulich ein langer und interessanter Artikel zu lesen. Der Wissenschafts- und Technik-Journalist Clive Thompson hat ihn geschrieben. Thompson glaubt, dass die Faszination von Twitter und Co nie begriffen werden könne, wenn man sich nur einzelne Beiträge anschaue. Man müsse Twitter länger nutzen, um den Wert der Anwendung zu erschließen.

Konkreter: Folgt man einem User über Twitter, entsteht im Laufe der Zeit ein Bild von diesem Menschen. Weil man ihm immer näher kommt. "Wer bei einer unbekannten Person auf einen Twitter-Eintrag schaut, empfindet das als langweilig und dummes Geschwätz. Aber wenn Sie dieser Person einen Tag folgen, werden ihnen die einzelnen Einträge in der Summe wie eine kleine Geschichte vorkommen, folgen Sie dieser Person einen Monat, entsteht ein Roman", schreibt Thompson.

Aus den einzelnen Nachrichten entsteht, wie bei einem Mosaik, ein Gesamtbild. Thompson: "Es ist eigentlich ein Paradox: Jedes kleine Update - jedes kleine Häppchen von sozialer Information - ist für sich genommen völlig unwichtig. Aber im Laufe der Zeit verbinden sich die Schnipsel zu einem Bild über das Leben eines Menschen, so wie aus tausenden Punkten ein Gemälde werden kann.

Twitter als Lebensbegleiter also, ein Abbild des "echten" Lebens. In diesem echten Leben begegnen sich Menschen von Angesicht zu Angesicht, sie schauen sich an, führen Small-Talk-Gespräche, achten auf die Körpersprache, begutachten aus dem Augenwinkel. Auch dort wird aus Einzelteilen ein Bild. Jede Wahrnehmung ist für sich genommen, wenig wert, oft banal, kaum der Rede wert. In der Summe aber entsteht ein Vorstellung, man ordnet ein, Empathie kann wachsen, manchmal auch Antipathie.

Twitter funktioniert ähnlich, und ist doch nur Ersatz. Weil Nähe mehr ist als der Austausch von Worten. Diese Erfahrung machen täglich Tausende. Menschen, die sich auf Single-Börsen umschauen und dann ein Treffen außerhalb des Internets vereinbaren. Oft ist die Verwunderung groß. Das Bild, das über die Kommunikation im Internet geprägt wurde, will nicht zur realen Person passen. Das Mosaik ist im besten Fall lückenhaft. Eine Enttäuschung muss dass nicht bedeuten. Auch ein verändertes Mosaik kann gefallen: Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts TNS/Emnid entstehen über das Internet mittlerweile mehr Beziehungen als in Kneipen und Diskotheken. Nur durch Arbeitsplatz und Freundeskreis werden mehr Singles zu Paaren.

Mittwoch, 3. September 2008

Die Angst vor der Raubkopie

Kommt das E-Book oder kommt es nicht? Über die Zukunft des digitalen Lesens

Dem ersten Augenschein nach ist der Buchdruck ein Anachronismus. Autoren tippen Romane in schicke Notebooks, versenden die digitalen Werke an ihre Verleger; diese stellen mit aufwändiger und teurer Computertechnik Druckplatten her - und am Ende formt Druckerschwärze Farbkontraste auf verarbeitetes Holz. Kompliziertes Computerwissen steckt hinter (oder genauer gesagt vor) einem Endprodukt, das kaum anders aussieht als im 15. Jahrhundert als Johannes Gutenberg den Buchdruck erfand. Absurd, eigentlich.

Warum es den Buchdruck noch immer gibt, hat einen trivialen und einen weniger trivialen Grund. Der triviale: Das Buch hat gegenüber einem digitalen Text unübersehbare Vorteile. Ein Buch fasst sich gut an. Es braucht keinen Strom. Fällt es auf den Boden, muss man vor dem Weiterlesen höchstens Schmutz wegwischen. Beim Lesen ist immer ein Gefühl vorhanden, wie viel man schon gelesen hat, wie viel noch vor einem liegt. Man kann einfach Notizen anfügen, Wörter unterstreichen. Jedes Buch ist in gewisser Weise einzigartig. Ist es ein Geschenk, steht auf einer der ersten Seiten meist ein persönlicher Text. Und das wichtigste: Schwarze Buchstaben auf weißem Papier lesen sich einfach gut.

Die Liste der Nachteile des Buchs gegenüber digitalisiertem Text ist kürzer, dennoch gewichtig. Wer mit mehreren Büchern verreisen will, spürt die Last. Beim Umzug kann die Last zur Qual werden. Der Buchdruck ist relativ unökologisch. Es braucht Holz, Druckerschwärze und am Ende muss das Werk auch noch zum Leser transportiert werden. Und: Bedrucktes Papier lässt sich nicht aktualisieren, digitale Daten schon. Außerdem lassen sie sich wesentlich kostengünstiger verbreiten. Bildung als Grundrecht ist so einfacher zu verwirklichen.

Nach Abwägung von Vor- und Nachteilen hat der Konsument bisher ein eindeutiges Votum gefällt: Das Buch à la Gutenberg ist der klare Favorit. Nie wurden mehr Bücher gedruckt, gekauft (und vielleicht auch gelesen) als heute.

Dem Buch in digitalisierter Form wurde dagegen schon mehrfach eine große Zukunft prognostiziert. Doch die Zukunft lässt auf sich warten. 1999 kam das erste Lesegerät für E-Books auf den Markt, das Rocket eBook. Medienberichte erschienen in denen den traditionellen Büchern der Todesstoß prophezeit wurde. Doch die Nachfrage kümmerte sich nicht um Prognosen. Der Umsatz mit Büchern stieg, das Rocket eBook wurde mangels Nachfrage bald wieder eingestellt. Weitere Geräte-Typen folgten, die Namen kennt heute keiner mehr.

Seit einigen Monaten wird wieder über elektronische Bücher gesprochen. Das ist der Verdienst von Amazon. Das riesige Handelshaus hat im November vergangenen Jahres in den USA ein Lesegerät mit dem Namen Kindle auf den Markt gebracht. Es speichert bis zu 200 Bücher und greift drahtlos auf den Online-Shop von Amazon zu. 90 000 Bücher kann man dort kaufen. Was sich im Vergleich zu den ersten Geräten wesentlich verbessert hat: die Lesequalität. Die Kontraste des Bildschirms sind deutlicher. Außerdem: Die Akkus halten länger. Das Kindle soll angeblich erst nach einer Woche Dauerlesen Strom verlangen. Für den deutschen Markt soll Kindle unbestätigten Berichten zufolge auf der Frankfurter Buchmesse vorgestellt werden.

Und das Kindle ist nicht allein. Laut der Tageszeitung "Die Welt" will Sony ebenfalls zur Buchmesse sein neues Lesegerät, das "Reader Digital Book", vorstellen. Es könnte ein Zweikampf zischen Amazon und Sony werden. Allerdings: Bisher gibt es für deutsche Texte allenfalls digitale Buchdeckel. Von Inhalt keine Spur. Wenn überhaupt, werden bisher Fachbücher in digitaler Form angeboten. Renommierte, aktuelle Romane sucht man vergebens. Und damit zum weniger trivialen Grund, warum das E-Book bisher kein Erfolg ist: Die Verleger wollen gar nicht. Die Druckerschwärze ist für sie bisher eine Art Lebensversicherung. Den Niedergang der Musikindustrie vor Augen wehren sie sich gegen die Digitalisierung ihrer Bücher. Weil Digitalisierung Reproduktion bedeutet. Ein gedrucktes Buch kann man lediglich Seite für Seite kopieren oder einscannen. Beides ist mühselig. Deshalb funktioniert das Geschäftsmodell der Verlage noch. Weil Raubkopien eine Seltenheit sind.

Auf der anderen Seite: Verlage wittern mit E-Books auch ein Geschäft. Bei Amazon in den USA machen bereits sechs Prozent des Absatzes E-Book-Verkäufe aus. Tendenz steigend. „Die Welt“ vermutet, dass Sony zur Buchmesse Verlage präsentieren wird, die ihre Bücher für das Gerät anbieten werden.

E-Book-Experte Professor Ulrich Johannes Schneider, Direktor der Universitätsbibliothek Leipzig, glaubt, dass dem Verlagen nichts anderes übrig bleiben wird, als in Zukunft stärker auf E-Books zu setzen. "Wenn die Leser andere Wege zum Text suchen und finden, müssen die Verlage da einfach mitgehen", so Schneider jüngst in einem Gespräch im Sender Deutschlandradio Kultur. Ansonsten bestünde die Gefahr, dass die Verlage überflüssig würden. Denn das Publizieren ist zumindest theoretisch wesentlich einfacher geworden: Der Autor schreibt einen Text und veröffentlicht ihn im Internet – fertig. Für Schneider hat das Folgen: "Verlage sind Filter in unserer Kultur, sind Garantien für eine bestimmte Art von Qualität, insofern wäre es sehr schade, wenn Verlage in Gefahr gerieten."

Auf der anderen Seite sieht Schneider im E-Book die Chance auf Bildung einer breiteren Bevölkerungsschicht: "Ich finde das es die Schwelle zum Bücherlesen, wie es sie beim Betreten einer Bibliothek, einer Buchhandlung, ja immer noch impliziert, weiter senkt", so der Bibliotheksdirekter im Deutschlandradio Kultur. Am wichtigsten aber sei, dass das elektronische Lesen, den Kern dieser Kultur gar nicht berühre: "Die Attraktivität von Texten und dass wir es lieben, uns in alternativen Welten zu verlieren und uns durch Texte entführen lassen, das ist ja dadurch nicht in Gefahr - und vielleicht wird sogar stärker angefacht, diese Lust am Lesen."

Montag, 25. August 2008

Wahrheit live im Netz

Autoritäre Staaten fürchten die neuen Medien - Jetzt erwartet sie eine weitere Bedrohung

Die Freiheit kam Anfang des Monats in Form eines gewöhnlichen Nokia-Handys zurück. Der Staatschef hatte es aus seiner Tasche gezogen. Mitten während seiner Rede zum Nationalfeiertag. "Auf diesem Handy ist ein kleines Programm mit dem Namen Qik installiert", erklärte Lee Hsien Loong, Premierminister von Singapur, einem staunenden Publikum. "Dieses Programm macht aus dem Handy eine Videokamera und überträgt das Bild direkt auf meine Webseite". Und als Loong das Mobiltelefon anschaltet, sehen sich die Zuschauer auf einer großen Leinwand selbst - gefilmt von ihrem Staatschef. Spontaner Applaus brandet auf.

Dabei hatte der Premierminister lediglich präsentiert, wie einfach es geworden ist Livebilder zu senden - in die ganze Welt. Wo früher ein Dutzend Techniker anrücken mussten um Bewegbilder in die Wohnzimmer zu bringen, reicht heute ein mobiles Telefon. Aber für Singapur war diese Demonstration mehr als eine technische Spielerei, sie war eine kleine Revolution.

Singapur ist eine Demokratie. Aber keine Demokratie nach europäischen Vorstellungen. Der asiatische Stadtstaat ist autoritär. Im weltweiten Vergleich werden dort, im Verhältnis zu seiner Einwohnerzahl, die meisten Todesurteile vollstreckt; das Regierungssystem besteht praktisch nur aus einer Partei (der PAP); die Presse wird zensiert. Außerdem sind in Singapur politisch motivierte Bewegbilder seit zehn Jahren nicht mehr erlaubt. Paragraf 33 des so genannten Filmgesetzes verbietet das Drehen, Reproduzieren, Verbreiten und Ausstrahlen von "parteipolitischen Filmen".

Der Paragraf soll jetzt fallen, zumindest abgeschwächt werden. Das verkündete Lee in seiner Rede am Nationalfeiertag. Jeder könne nun ein "Amateur-Filmer werden" und die "Politik aufnehmen", so der Premierminister. Ein "vollständiges Verbot" sei nicht mehr nötig. "Das ist bei weitem die größte politische Verbesserung in den vergangenen 20 Jahren", freute sich Filmemacher Martyn Seen in der singapurischen Zeitung "The Strait Times". Mehrere seiner Filme sind bisher verboten.

Vermutlich hatte Premierminister Lee keine andere Wahl. Er ist in die Offensive gegangen, bevor die Öffentlichkeit gegen ihn ging. Singapur ist politisch autoritär, wirtschaftlich aber liberal. Neueste Technik ist dort an jeder Straßenecke zu haben. Auch die neueste Medientechnik. Und die schafft zunehmend, was für autoritäre Systeme lebensbedrohlich ist: Öffentlichkeit. Ein Korruptionsfall wird durch Blogger weltweit bekannt, eine niedergeknüppelte Demonstration entwickelt sich dank YouTube zur mittleren Staatskrise.

Neue Medien teilen mit, was die Regierenden gerne geheim gehalten hätten. Dass nämlich zum Machterhalt Repression notwendig ist. Es wird offensichtlich, dass die Herrschenden herrschen, nicht weil sie vom Volk gewollt sind, sondern weil sie es unterdrücken.

Live-Übertragungen im Internet werden in Zukunft Macht untergraben, die ohne demokratische Legitimation erlangt wurde. Nicht radikal. Eher als kleines Mosaik eines großen Bildes, das den Titel "Die ganze Wahrheit" trägt. Qik.com, ustream.tv oder mogulus.com heißen die ersten Dienste, die solche Live-Übertragungen anbieten. Die Verwendungsmöglichkeiten sind vielfältig. Zum Beispiel auf Demonstrationen. Wer von dort mit seinem Handy sendet, hat potentiell die gesamte Weltöffentlichkeit hinter sich. Zumindest so lange ihm die Kamera nicht abgenommen wird. Aber dann ist zumindest das bereits gesendete Material im weltweiten Netz verteilt.