Donnerstag, 20. November 2008

Nur das Fernsehen bleibt zu hause

Zeitenwende für den Computer: Warum sich fast alle Formen der Kommunikation auf dem Handy vereinen werden

Die Etappen des Misserfolges lassen sich in Fußballmeisterschaften messen. Spätestens zur WM 2006 in Deutschland sollte mobiles Fernsehen an den Start gehen. So hatten es die Macher prognostiziert. Handy-TV galt als Geschäft der Zukunft. Doch 2006 blieb es beim Versuch. Zwei Jahre später das gleiche Spiel: Zur Europameisterschaft in der Schweiz und Österreich versprach man den Durchbruch. Es wurde wieder nichts. Die Gründe: Unausgereifte Technik, wenige Interessenten (trotz Fußball). Anfang diesen Monats dann das endgültige Aus: Das Konsortium Mobile 3.0 gibt die Lizenz zum Aufbau von Handy-TV an die Landesmedienanstalten zurück.

Handy-TV ist vorerst tot - zumindest das speziell für Handys entwickelte Format DVB-H. Neben technischen Problemen hat dies vor allem einen Grund: Fernsehen und Mobilität passen nur bedingt zusammen. Einen Spielfilm oder eine Dokumentation schaut man am liebsten zu hause auf dem Sofa, vielleicht noch im Zug; aber eben nicht in der Kneipe, nicht beim Warten auf den Bus oder auf dem Pausenhof. Viele Fernsehformate brauchen eine entspannte Umgebung und große Bildschirme. Fernsehen ist Freizeitgestaltung, gern auch im Jogging-Anzug.

Handy und Fernsehen müssen also erst noch zusammen finden und zwar in Form neuer Inhalte. Das Fernsehen wird sich den Bedürfnissen anpassen. Wie andere Mediengattungen auch. Denn eigentlich ist das Handy für fast jede Art der Kommunikation das ideale Medium: Man hat es immer bei sich, es überträgt Informationen innerhalb von Sekunden, es kann Töne, Bilder, Bewegbilder. Durch das Handy verschmilzt zunehmend, was früher getrennt war: Man telefonierte über das Festnetz, schrieb Briefe, las Zeitung, hörte Radio, schaute Fern - das Mobiltelefon aber bringt alle Formen in ein Gerät, one size fits all sozusagen.

Wer wissen will, wohin die Reise geht, sollte zwei Fragen strikt trennen: Was ist technisch möglich? Was ist inhaltlich gewünscht? Häufig nämlich werden technische Barrieren mit gewollter Gewohnheit verwechselt. Wir alle haben noch vor fünf Jahren unsere E-Mails nicht deswegen ausschließlich im Büro oder zu Hause am Schreibtisch gelesen, weil es die ideale Zeit oder der beste Ort war. Es fehlte an Alternativen. Weil es aber den Wunsch gibt, selbst darüber zu entscheiden, wann und wo wir kommunizieren, beinhalten heute immer mehr Handys eine komfortable E-Mail-Funktion. Wer also in die Zukunft blicken will, lässt besser alle heutigen technischen Beschränkungen beiseite. Weil was der Mensch sich materiell wünscht, er früher oder später meist auch erreicht.

Was aber geschieht bei der Vereinigung verschiedener Medienformate mit den Medienformaten selbst? Manche werden im wesentlichen bleiben wie sie sind: das Radio zum Beispiel. Denn Radio hört in der Regel nur, wer lediglich "die Ohren frei hat", wer etwa Auto fährt oder kocht. Technischer Fortschritt macht Radio hören zwar komfortabler (zum Beispiel durch digitales Radio), ändert aber nicht grundsätzlich seine Nutzung. Anders verhält es sich mit Medieninhalten, die vorwiegend über das Auge aufgenommen werden. Hier verschmelzen die Formate: Zeitungen und Fernsehen zum Beispiel wandern beide ins Internet. Aber nicht nur das: Auch die Trennung zwischen sozialen Netzwerken wie etwa Facebook oder StudiVZ auf der einen und Nachrichtenlieferanten wie Spiegel online, zoomer.de oder Südkurier.de auf der anderen Seite wird sich vermutlich auflösen. Noch sind dies zwei Welten, historisch bedingt. Auf News-Seiten legen Redaktionen quasi hoheitlich fest, welches Ereignis eine Nachricht wert ist und welches nicht. In sozialen Netzwerken machen das die User selbst. Was von Interesse ist, wird mitgeteilt und von anderen gelesen. Gemeinsam ist beiden, dass es um Nachrichten geht.

Der Unterschied liegt in der Qualität und Quantität. In soziale Netzwerken interessieren sich für die Nachricht eines Users (zum Beispiel wo dieser seinen letzten Urlaub verbracht hat) meist nur wenige; Nachrichten, etwa aus dem Lokalteil einer Zeitung, bekommen von mehr Menschen Aufmerksamkeit; die Zahl der Interessenten wächst bei nationalen und weltweiten News. Aber: Eine grundsätzliche Trennung zwischen Community- und Nachrichten-Welten gibt es eben nicht. Immer geht es um Interesse, Information, Neuigkeit.

Für die Zukunft heißt dies: Soziale Netzwerke und Nachrichten-Portale verschmelzen. Wo man sich mit Freunden austauscht, steht klickbereit das lokale Kinoprogramm. Daneben sind die regionalen und überregionalen Nachrichten zu lesen. Man wird wissen, welcher Freund sich für welche Nachricht interessiert, wer was gelesen, bewertet oder kommentiert hat. Und diese Informationen werden wiederum Auslöser für weitere Diskussionen sein. Die Nachrichten-Verschmelzung hat erst begonnen. Fest steht schon jetzt, wo sie vor allem stattfinden wird, nämlich auf dem Handy. Bei Facebook zum Beispiel explodieren gerade die Zugriffe von mobilen Geräten auf das Social Network: Nach Unternehmensangaben ist die Zahl der User, welche den mobilen Zugang nutzen, von 5 Millionen Anfang des Jahres auf 15 Millionen gewachsen.

Mittwoch, 12. November 2008

Überlasst die Arbeit dem Wähler!

Wer in Zukunft Wahlen gewinnen will, muss sich Obamas Internet-Strategie zu eigen machen

Am besten man testet die Wirkung an sich selbst. Wie Bilder beeinflussen können. Wie sie Stimmung machen. Gegen etwas, oder dafür. In diesem Fall letzteres. Auf der Internetseite des Bilderdienstes Flickr.com kann jeder diese Wirkung nachvollziehen. Dort hat das Wahlkampfteam von Barack Obama Bilder aus der Wahlnacht veröffentlicht. Sie zeigen den zukünftigen Präsidenten im Kreis seiner Familie. Frau und Kinder, Cousinen, Schwiegereltern, Tanten, Schwager; alle vereint vor einem Fernseher in der Hotelsuite in Chicago, wartend auf das Wahlergebnis.

David Katz, Obamas Chef-Wahlkampf-Fotograf, hat sie fotografiert. Kinder lümmeln in Sesseln, Barack Obama hat auf dem Sofa sitzend seine Füße auf den Tisch gelegt, er schaut fern. Es ist ein Einblick in eine halb private, halb offizielle Welt. Die Bilder wecken Sympathie für Barack Obama. Weil es der vermutlich wichtigste Tag in seinem Leben ist, die wichtigste Stunde gar. Die Atmosphäre aber ist dennoch entspannt.

Die Bilder sind nicht ohne Absicht dort gelandet. Barack Obamas Wahlkampfteam hat sie dort platziert. Wie so vieles, was im Internet über Obama veröffentlicht wurde. Die Strategie ist beispiellos, weil zum ersten Mal das Potential Internet für den Wahlkampf erkannt und ausgeschöpft worden war.

Früher wurden vor der Wahl Plakate geklebt, Reden gehalten, Prospekte in Fußgängerzonen verteilt - und kurz vor dem Wahltag dann noch Werbespots im Fernsehen geschaltet, auch Zeitungsanzeigen. All das gibt es auch heute noch und wird es auch in Zukunft geben. Aber ohne eine gezielte Internet-Strategie dürfte es schwierig werden zu gewinnen. Denn mit dem Internet kann man schnell und billig schaffen, was für erfolgreiche Politikvermittlung notwendig ist: ein Netzwerk.

Ein einfaches Beispiel: Wer 10 Freunden eine Nachricht schickt und diese 10 Freund geben sie an wieder 10 Freunde weiter. Und wenn sich dieser Prozess noch drei weitere mal fortsetzt, sind 100 000 Menschen informiert - in minutenschnelle. Und jeder einzelne dieser 100 000 Menschen hat die Info von einem Freund erhalten. Dieser oft negativ als Schneeballeffekt bezeichnete Prozess, ist im besondern Maße Meinungsbildung. Auch im Wahlkampf. Wer politische Überzeugungen aus dem engsten Freundeskreis hört, lässt sich davon viel stärker beeinflussen als von einem Wahlplakat auf dem ein Politiker milde aufs Wahlvolk hinab lächelt.

Die Technik für Obamas Wahlkampf stammt von einem Verlierer. Howard Dean, der 2004 im Vorwahlkampf gegen John Kerry gescheitert war, hatte schon damals auf das Internet gesetzt. Nach dem Aus von Dean gründeten einige Leute aus seinem Wahlkampfteam das Startup Blue State Digital. Dieses Unternehmen ist die Basis für Obamas Erfolg im Internet. Blue State Digital betreibt die Internet-Plattform my.barackobama.com – der Dreh- und Angelpunkt der Internetkampagne, die übrigens mit der Wahl nicht endete, sondern auch Obamas Arbeit als Präsident begleiten wird.

Die Webseite informiert, man kann dort spenden, vor allem aber dient die Seite der Vernetzung. Wer Obama unterstützen will, kann sich dort eintragen. Man wird dann regelmäßig informiert, wird gebeten sich an Aktionen zu beteiligen und schließt sich dafür mit anderen zusammen.

Die Seite hat den Wahlkampf mit entschieden. Zum Beispiel wegen der Spendengelder. Bis Juli 2008 waren über Online-Spenden 200 Millionen Dollar zusammen gekommen, eine Million Menschen hatten sich auf der Website registriert und darauf hin bei der Organisation von 75 000 lokalen Aktionen geholfen. Keiner der Konkurrenten kam auch nur annähernd auf solche Zahlen.

Die Obama-Unterstützer griffen dabei auf bewährte Wahlkampf-Mittel zurück: Sie organisierten Wahlkampfveranstaltungen, Haus-zu-Haus-Aktionen, verteilten Flyer, schrieben Mails, telefonierten. Dies zeigt: Der Wahlkampf der Zukunft findet nicht alleine im Internet statt. Das Internet mobilisiert und koordiniert vielmehr die Unterstützer. Entscheidend ist, Online-Aktivitäten mit Aufgaben in der echten Welt zu koppeln.

"Ja, es gibt Blogs und E-Mail-Newsletter. Aber letztlich geht es darum, jemanden zum Spenden, zum Telefonieren, zum Briefeschreiben oder zu einer Party zu bewegen", sagt selbst Jascha Franklin-Hodge, der damals die Internet-Infrastruktur für die Dean-Kampagne aufgebaut hatte.

Natürlich hatte auch die Konkurrenz Webseiten. Den Unterschied aber machte: Bei Obama stand nicht der Kandidat im Mittelpunkt, sondern die Unterstützer. Es wurde nicht diktiert, sondern lediglich die Infrastruktur zur Verfügung gestellt. "Der entscheidende Vorteil war, dass Obamas Leute von Anfang an wirklich intelligente Werkzeuge zur Community-Bildung eingesetzt haben", sagt Lawrence Lessig, ein Jura-Professor in Stanford. Aus Hierarchie wurde Anarchie: Die Unterstützer organisierten sich selbständig.

Und: Die Webseite my.barackobama.com war nicht die einzige Internet-Aktivität von Obamas Wahlkampfteam. Andrew Rasiej, Gründer der Politik-Website Personal Democracy Forum, sagt: "Obamas Leute haben verstanden, dass die Anhänger die Botschaften selbst verbreiten, wenn sie auf den unterschiedlichen Plattformen zur Verfügung stehen. " So wurden die Reden Obamas auf Youtube platziert. Profile auf MySpace und Facebook gepflegt und auf Twitter den Interessierten mitgeteilt, was Obama gerade so macht – allein dort verfolgten 50 000 Menschen täglich Obamas Wahlkampf. Joe Trippi, der 2004 den Wahlkampf von Dean geleitet hatte, sagt es so: "Bill Clintons Wahlspruch 1992 war: ,Es ist die Wirtschaft, Dummkopf!’ {It’s the economy, stupid!}. Dieses Mal müsste es heißen: ,Es ist das Netzwerk, Dummkopf'."