Mittwoch, 23. Juli 2008

Sende Dich selbst!

Der technische Fortschritt beim Bewegbild ändert die Mediennutzung so schnell wie noch nie - und die Gesellschaft gleich mit

Zum Frühstück läuft im Fernseher das Morgenmagazin; vor dem Verlassen des Hauses wird auf dem Computer per Animationsfilm das Regenradar für Stadt und Tag abgerufen; beim Warten auf die Bahn informieren Bewegbildern an der Wand der U-Bahn-Station über die aktuelle Nachrichtenlage; im Büro angekommen, bringt der Video-Podcast des Finanzexperten aus Übersee das Börsengeschehen der vergangenen zehn Stunden auf den Punkt; danach folgt eine Videogespräch per Skype mit dem Chef. - Nie war die Gesellschaft stärker von Bewegbildern umgeben als heute.

Vor 100 Jahren gingen die Menschen erstmals ins Kino, Jahrzehnte danach schrumpfte sich das Kino ins Wohnzimmer. Und es dauerte erneut viele Jahre, bis das Hobby-Filmen durch Super-8 möglich wurde.

Änderte sich früher die Mediennutzung im Abstand einer Generation, krempelt der technische Fortschritt mittlerweile in wenigen Jahren das Medienverhalten um. Etwa in dem Sinne, dass die Betrachtung von Bewegbildern heute nicht mehr ortsgebunden (Kino, Wohnzimmer) ist.

Die Unternehmensberatung Forrester Research will herausgefunden haben, dass bereits 8 Prozent aller Video-Filme auf portablen Geräten wie Handys oder tragbaren Abspielgeräten geschaut werden. In fünf Jahren sollen es 15 Prozent sein. Außerdem: Aktuell werden 10 Prozent aller Videos über das Internet betrachtet. Auch diese Zahl wird laut Forrester bis zum Jahr 2013 steil ansteigen, auf 35 Prozent.

Aber elektronisch bewegte Bilder sind mittlerweile nicht nur allgegenwärtig. Weil Bewegbilder einfach zu produzieren und nicht weniger schwer zu verbreiten sind, wird der Konsument zum Produzenten: 70 000 Videos landen täglich neu auf dem Videoportal Youtube. Kein Flecken der Erde bleibt so verborgen, kaum eine kulturelle Eigenart für die Masse unentdecktbar.

Kathrin Passig und Holm Friebe beschäftigen sich - unter anderem als Buchautoren - mit dem gesellschaftlichen Wandel durch Computer und Internet. Sie haben den Einfluss des Bewegbildes jüngst in einer Kolumne der Berliner Zeitung anschaulich beschrieben, nämlich anhand der Veränderung der Tanzstile durch die Einführung bewegter Bilder. Passig und Holm beschreiben, wie sich der Bewegungsstil der Menschen im Laufe der Zeit ändert und anpasst. Auch die Bewegung im öffentlichen Raum unterliege dem kulturellen Wandel. "Zu sehr schreibt sich die Sozialisation ins motorische Programm ein, zu wenig wissen wir über die Alltagsmotorik vergangener Epochen", heißt es in der Kolumne.

Am anschaulichsten zeigt sich dies in der Musik. Ganz früher wurden die Tänze der Saison bei Hof einstudiert und vom Volk imitiert worden. Viel später, aber noch vor der Internetzeit, haben sich neue Stile dann über Musikvideos verbreitet, etwa durch Michael Jacksons "Thriller". Heute braucht es die hohe Instanz von Staat oder Künstler nicht mehr, damit sich Veränderungen etablieren. Youtube reicht. Jumpstyle ist so ein Beispiel - eine absichtlich platte Techno-Tanz-Variante. Der Holländer Patrick Jumpen hat die stampfenden Breakdance-Bewegungen über You-Tube bekannt gemacht. Mittlerweile hüpft Europas Jugend so durch die Discotheken. Von diesen Beispielen gibt es Dutzende. Das Bewegbild als Trendsetter. Doch es ist eben nicht mehr das Fernsehen, das die Richtung bestimmt. Nach einer Studie des Zentralverbandes der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) ändert sich die Mediennutzung der jüngeren Generation massiv. Danach stehen bei den 12- bis 19-Jährigen Computer, Internet und MP3-Player auf den Plätzen eins bis drei. Erst auf Platz vier folgt das Fernsehen.

Mittwoch, 9. Juli 2008

Besser sein reicht nicht

Alles ist digital, nur das Radio noch nicht - Warum eigentlich?

Es gibt ein ungeschriebenes Mediengesetz, das für die Beschäftigten der Medienbranche sehr beruhigend ist. Das Gesetz sagt, dass die Einführung eines neuen Mediums noch nie ein bestehendes vollständig abgelöst hat. Als sich das Radio Anfang des vergangenen Jahrhunderts langsam zum Massenmedium entwickelte, prophezeiten viele das Ende des Buches; später sollte das Fernsehen das Radio vergessen machen. Und vom Internet behaupten heute nicht wenige, dass gleich sämtliche anderen Medien darin verschwinden werden. Es wird nicht geschehen.

Gerade wieder hat das vermeintlich verstaubte Medium Radio von sich hören gemacht. Bei der Fußball-EM. Mehr als vier Millionen Hörer haben bundesweit die Deutschlandspiele im Radio verfolgt.

Das Radio ist nicht tot. Denn es bietet Vorteile im Vergleich zu anderen Medien. Es kann Informationen schnell übertragen, ist fast überall verfügbar und man braucht nur die Ohren, um die gesendeten Inhalte aufzunehmen. Wer gerade Auto fährt, für den sind Fernsehen, Internet oder Zeitung eben kein adäquates Medium.

Und dennoch ist das Radio von heute von gestern. Seit es das Radio gibt, verwendet es die gleiche Übertragungstechnik, eine analoge nämlich. Das ist eigentlich praktisch. Weil jeder ein solches Signal mit seinem Radio empfangen kann. 300 Millionen UKW-Geräte gibt es in Deutschland. Auf der anderen Seite hätte das Radio heute eine größere Verbreitung, wenn die Menschen statt analogem digitales Radio empfangen würden. Denn es bringt einige Vorteile, ein Programmsignal vor dem Senden zu digitalisieren und zu komprimieren. Etwa weil auf einem solchen Frequenzband bis zu 20 Sender völlig rauschfrei und auch sonst in einer besseren Tonqualität übertragen werden können.

Eigentlich sollten alle alten Radiogeräte ab dem Jahr 2010 wertlos werden. Dann sollte die analoge Ausstrahlung von Radiosendern abgeschaltet werden. So war es in der Europäischen Union einmal beschlossen worden.

Heue glaubt daran kaum einer mehr. Denn die Deutschen hätten dann keinen Empfang mehr. Zwar gibt es das digitale Radio schon einige Jahre. Schätzungen zufolge sind in Deutschland aber nur zwischen 200 000 und 500 000 digitale Geräte in Betrieb - genauer gesagt: DAB-Geräte. So heißt der Standard, der ursprünglich mal das analoge Radio ablösen sollte. Er hat es nicht. Zwei Gründe verhindern den Durchbruch. Zum einen ist das Programmangebot auf den digitalen Frequenzen (zwischen 174 und 230 MHz) geringer als auf den analogen (87,5 und 108 MHz). Der Grund: Die kostspielige Ausstrahlung auf zwei Frequenzen wollen oder können sich nicht alle Radiostationen leisten. Zum zweiten gibt es heute mehr Standards als digitale Radioprogramme. So sind Radiosender etwa nicht nur über Kabel und Satellit zu empfangen, sondern auch über das digitale Fernsehen DVB-T. Ein weiterer Standard ist DVB-H. Dieser ermöglicht es, Radio auf Handys zu empfangen. Und über das Internet können mittlerweile über 12 000 Stationen gehört werden.

Jetzt droht dem DAB-Standard auch noch Konkurrenz aus dem eigenen Haus. Durch den Nachfolger von DAB: DAB plus. Der besitzt einen neuen Audio-Kompressions-Standard durch den die dreifache Zahl an Programmen an die Antennen gelangt, 60 statt 20 also. Das klingt gut, hat aber einen Nachteil. Die bisherigen DAB-Geräte können diesen Standard nicht empfangen. Sie würden damit genauso wertlos wie die analogen Geräte. Dennoch hat sich die Medienpolitik für DAB plus entschieden. Unklar ist nur noch, wer die Kosten für den Aufbau des Netzes zahlen soll. Medienberichten zufolge kalkuliert der Betreiber T-Systems in den nächsten Jahren mit Kosten von 45 Millionen Euro jährlich. Die Hörfunksender haben schon mal geschlossen abgewunken.

Gut möglich also, dass die Zeit des analogen Radios noch lange nicht vorbei ist. Mittlerweile wird davon ausgegangen, dass es analoge Programme mindestens bis zum Jahre 2015 geben wird. Für das Medium Radio ist das schlecht. Weil eine größere Vielfalt an Programmen und eine bessere Tonqualität dem Medium mehr Zuhörer brächte. Das Ende der Ära Radio aber wird es nicht sein. Es gibt keinen Grund, warum das ungeschriebene Mediengesetz diesmal nicht gelten sollte.